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Weltbankkredit: 3000 Tonnen DDT für Brasilien

Malariabekämpfung im brasilianischen Amazonasbecken / Durch Erschließung und Zuwanderung sind in fünf Jahren die Krankheitsfälle um fast 300 Prozent gestiegen  ■  Von Christine Moser

Berlin (taz) - Die Weltbank gewährte Brasilien im Mai einen Kredit in Höhe von 99 Millionen US-Dollar zur Bekämpfung der Malaria mit DDT in der Amazonasregion. Dies bestätigte die Brasilien-Referentin Marita Koch-Weser der Washingtoner Einrichtung gegenüber der taz. Das Mittel ist in den meisten Industrieländern wegen schwerer gesundheitlicher Gefährdungen verboten. In der Bundesrepublik ist die Anwendung des Insektizides seit 1982, seine Herstellung seit 1978 untersagt.

90 Prozent aller Malariaerkrankungen innerhalb Brasiliens werden in der Amazonasregion registriert. Davon sind vorrangig Goldgräbercamps und neu gegründete Ortschaften in den Bundesstaaten Rondonia, Para und dem nördlichen Teil von Mato Grosso betroffen.

Zum massiven Auftreten von Malaria in der Amazonasregion kam es freilich erst im Zuge der Erschließung, vor allem durch Straßenbau, Staudammbauten, Industrieprojekte, die unter anderem gerade durch die finanzielle Unterstützung von seiten der Weltbank ermöglicht wurde.

So förderte die Weltbank im Rahmen des Polonoreste-Projekts den Bau und die Asphaltierung der Straße BR 364 quer durch den Amazonas-Bundesstaat Rondonia, der etwa die Größe der Bundesrepublik hat. Dadurch wanderte etwa eine Million landloser Kleinbauern in das Gebiet. Das ständige Aufschieben einer wirklichen Agrarreform hat Polonoreste zu einem Hauptkolonisationsgebiet Brasiliens gemacht. Rund 30 Prozent der ehemals mit Regenwald bedeckten Flächen sind inzwischen unwiederbringlich den Rodungs- und Abholzungsarbeiten zum Opfer gefallen. Die Siedler rücken immer weiter vor - und damit auch die Malaria. Man spricht heute von der „Malariafront“, weil sie von den Siedlern aus anderen Regionen Brasiliens in das Amazonasgebiet eingeschleppt wird (der Malariaerreger hält sich im Blut auf und wird durch die Anophelesmücke nur übertragen).

Nach Angaben der Weltbank stiegen die registrierten Malariafälle in Rondonia von 80.752 im Jahre 1983 auf 228.866 im Jahre 1987 - eine Steigerung von fast 300 Prozent in nur fünf Jahren!

Die Malaria wird in Brasilien vor allem durch DDT bekämpft. Das Insektizid ist dort wegen seiner ökologischen Risiken seit 1984 in der Landwirtschaft verboten, allerdings ist sein Einsatz im Gesundheitswesen weiterhin erlaubt. Neben den direkten gesundheitlichen Gefahren liegt die Bedrohung durch DDT darin, daß es sich in der Nahrungskette anreichert. Die Langlebigkeit dieses Giftes zeigt sich darin, daß in der Bundesrepublik, in der die Anwendung von DDT immerhin schon seit 17 Jahren verboten ist, noch DDT in der Muttermilch nachgewiesen werden kann.

Aber auch schon durch unsachgemäße Handhabung beim Einsatz kommt es in Brasilien immer wieder zur Gefährdung von Menschenleben durch DDT. Zweimal jährlich werden in Amazonien die Häuser von innen und außen mit DDT besprüht. Unter dem Giftregen geht nicht nur die Anaophelesmücke zugrunde, sondern auch eine Vielzahl von anderen Insekten und Kleinlebewesen.

Proteste dagegen stoßen bei den Verantwortlichen jedoch auf taube Ohren. Wie aus Weltbankkreisen zu erfahren war, sollen neben anderen Insektiziden etwa 3.000 Tonnen DDT im Rahmen des Malaria-Bekämpfungsprogramms der Weltbank eingesetzt werden. Dabei ist der Nutzen, um dessentwillen man die hochgiftige Substanz DDT immer noch zur Malariabekämpfung einsetzt, durchaus umstritten. Kritische Wissenschaftler weisen darauf hin, daß man bei den Ursachen der Malaria ansetzen muß und der Bedeutung von Malariaprophylaxe und den Erfolgen bei biologischen Methoden der Malariakontrolle viel zu wenig Bedeutung beimißt.

Auch Koch-Weser von der Weltbank erklärte gegenüber der taz, daß sie den Einsatz von DDT für nicht unproblematisch ansehe. Ihrer Ansicht nach gebe es jedoch für den Großeinsatz in Brasilien keine Alternative. Im übrigen sei das Kreditprogramm für den DDT-Einsatz mit der Weltgesundheitsorganisation WHO der Vereinten Nationen abgestimmt. Koch-Weser kritisierte in diesem Zusammenhang, daß die Forschung hier noch keine unverfänglicheren Mittel hervorgebracht habe.

Ein DDT-Experte des Bundesgesundheitsamtes bestätigte, daß DDT in der Dritten Welt noch sehr breit eingesetzt werde, vor allem, weil es für die ärmeren Länder sehr preisgünstig sei. DDT könne gerade aus demjenigen Grund sparsam eingesetzt werden, der für die Gesundheit so bedrohlich sei: DDT ist aufgrund seiner langen Halbwertzeit nach einmaligem Einsatz sehr lange wirksam.

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