: Henning zum Abwischen
■ Kinderhaus „Klick“ leiht Demo-Gegner aus
hier bitte
„Hätten Sie's gewußt“
Immer wenn Bremens Protest-Gruppen für ihre Demo nach einem richtig bösen Gegner suchen, dann winkt ihnen von der Rathaustür der lange Henning entgegen und lacht über beide Backen. Protest gegen verschleppte Sozialhilfe-Erhöhung, gegen verknapptes ABM-Personal und unterbemittelte Stadtteilkultur - keine Bremer Initiative kann ihren Protest vorbringen, ohne es dafür vom langen Arm des sozialen Senators dreimal herzlich von oben auf die Schulter zu bekommen. Doch damit ist nun Schluß.
Ab sofort ist bei der Kinderinitiative „Klick“ ein Scherf in Öl auszuleihen, dessen dunkelbrauner Augenaufschlag nur so zum Eier-und Tomatenwerfen einlädt. Der Bremer Maler Oelze hatte 1987 den größten Senator vom Foto noch mehr vergrößert, schön gerahmt und für dessen Dienstzimmer im obersten Stock des Tivoli-Hochhauses verschenkt. Dort stand er allerdings im Weg, vor allem seit ein anderer Bremer Künstler Henning Scherf in Originalgröße aus Bienenwachs modellierte und ebenfalls an sein Modell zurückverschenkte.
Also klemmte sich Senatsdirektor Hoppensack im vergangenen Frühjahr seinen Chef in Öl unter den Arm und zog damit zur Eröffnungsparty des „Klick„-Hauses in der Friesenstraße. Dort hing Scherf dann erst im Keller, später weiter oben auf dem Dachboden friedlich an der Wand, bis Bremens Selbstverwaltungsszene am 4. Juli nach geeigneten Objekten für eine Protest-Versteigerung auf dem Marktplatz vor der Bürgerschaft suchte. Der gerahmte Senator kam unter den Hammer und ging - für eine Tüte Gummibärchen - an die grüne Abgeordnete Helga Trüpel.
Fast drei Wochen lang stand der Ölgötze dann den Grünen im Weg. Gestern morgen gaben sie ihn zurück. Doch jetzt soll er nicht wieder unbeachtet verstauben. Die Grünen spendieren dem Ölbild jetzt eine passende Plexiglasscheibe. Dann läßt sich Henning abwischen und kann so nach jedem Demo-Einsatz unter Tomatensaft und Ei hervorgeholt und beim nächsten Anlaß wiederverwendet werden.
Rosi Roland
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