piwik no script img

AKW Fessenheim auf internationalem Prüfstand

Erstmals untersucht parlamentarisch eingesetzte Kommission einen französischen Reaktor / Französische Behörden blockieren Freigabe von Datenmaterial / Reaktorblock I wegen Zehnjahresinspektion für fünf Monate abgeschaltet / Studie belegt: Atommeiler unrentabel  ■  Von Benno Pilardeaux

Freiburg (taz) - Mit der Aufstellung eines Fragenkataloges an die französischen Elektrizitätswerke (Electricite de France - EDF) ging am Freitag in Paris die zweite Sitzung der internationalen Gutachterkommission zur Überprüfung des Atomkraftwerks Fessenheim zu Ende. Auf der Tagesordnung standen diesmal die Entwicklung der Haarrisse am Druckbehälter, der Zustand des Primärkreislaufes und die Durchlässigkeit der Verschalung (containement) des zwölf Jahre alten Atommeilers. Beauftragt wurde die Gutachterkommission vom Regionalparlament des Departements Haut-Rhin anläßlich der fälligen Zehnjahresinspektion von Reaktorblock I von April bis September dieses Jahres.

Das Hauptproblem der Gutachterkommission, die den Reaktor anhand von Expertisen untersucht, ist nach den Worten von Christian Küppers vom Öko-Institut Darmstadt, „neben der zu kurzen Zeit, die volle Einsicht in die Unterlagen der EDF und des Pariser Industrieministeriums zu bekommen“. Von dessen Seite wurde unter Berufung auf die Geheimhaltung französischer Atomtechnologie bereits signalisiert, daß nicht alle Pläne zur Verfügung gestellt werden. Und so übergibt das Industrieministerium an die Kommission zwar publicityträchtige Unterlagen, die aber, so Küppers gegenüber der taz, „teilweise gar nichts mit dem Reaktor in Fessenheim zu tun haben oder speziell für die Kommission angefertigt wurden“. Trotz dieser Probleme soll ein Gutachten bis zur Wiederinbetriebnahme von ReaktorblockI im September vorgelegt werden. Das Industrieministerium hatte sich ursprünglich gegen eine internationale Kommission gewehrt, mußte aber auf bundesdeutschen Druck hin doch nachgeben.

Für die Kraftwerksbetreiber steht dabei einiges auf dem Spiel: Der Reaktor in Fessenheim ist der älteste der sogenannten 900-Megawatt-Serie, von denen in Frankreich derzeit rund 30 Stück in Betrieb sind. Sollten sich bei der Untersuchung gravierende Mängel herausstellen, dann könnte das weitreichende Folgen für große Teile des französischen Nuklearparks haben.

Dennoch hat Kraftwerksdirektor Thierry Bonnet schon klargestellt, daß für ihn einzig und allein die Entscheidung des Pariser Industrieministeriums maßgebend ist - und die steht schon fest. Die Einwände des Regionalparlamentes gegen die Wiederinbetriebnahme des Reaktors werden von den Verantwortlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Atompolitik in Paris gemacht werde. In der hochkarätig besetzten Untersuchungskommission sitzen neben den Physikern Christian Küppers und Lothar Hahn vom Darmstädter Öko -Institut die französischen Wissenschaftler Michele Rivasi, die Leiterin des „Forschungsinstitutes für radioaktive Strahlung“ (CR-II Rad), und Patrick Petitjean, von der „Informationsgruppe Nuklearenergie“ (GSIEN). Dabei ist auch der belgische Professor Luc Guilloni, Mitverfasser eines kritischen Berichtes über die Sicherheit französischer Kernreaktoren.

Daß in Frankreich erstmals eine internationale Gutachterkommission zur Überprüfung eines Atommeilers zugelassen wurde, hängt, so hochrangige Vertreter der französischen Nuklearwirtschaft unlängst auf einer Konferenz in Paris, nicht zuletzt mit dem großen Vertrauensverlust in die französische Atompolitik nach der Katastrophe von Tschernobyl zusammen.

Bis Ende August will die Expertenkommission ihren abschließenden Bericht vorlegen. Ob sie auch bei der geplanten Generalüberholung von Block II im nächsten Jahr tätig werden wird, steht allerdings noch nicht fest.

Nicht nur Sicherheitsfragen bringen den Atommeiler immer wieder in die Schlagzeilen. Eine im Juni veröffentlichte Studie des Pariser Institutes Inestene (Institut d'Evaluation des Strategies Energetiques en Europe, vergleichbar mit dem deutschen Öko-Institut) belegt, daß der Fessenheimer Reaktor völlig unrentabel ist. Demnach haben sich die Investitionen in Energiesparmaßnahmen im Elsaß von 1976 bis 1988 viermal so schnell amortisiert wie das Atomkraftwerk. Vor allem der gesunkene Strompreis und die Überproduktion von Energie machen den französischen Kraftwerksbetreibern zu schaffen: „Da das Unternehmen stark verschuldet ist, muß es, um seinen Nuklearpark zu amortisieren, den Stromverbrauch ankurbeln“, heißt es in der Studie. Langfristig ist nach Meinung der Autoren auch in Frankreich der Ausstieg aus der Nuklearenergie möglich wenn eine konsequente Energiesparstrategie verfolgt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen