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Lohn auch für kranke Putzfrauen

■ Europäischer Gerichtshof: Ohne Lohnfortzahlung werden Teilzeitkräfte diskriminiert

Ingrid Rinner-Kühn ist Mutter von zwei Kindern. Händeringend hatte sie nach einem Job gesucht, als der Hausbau die Familienkasse stark gebeutelt hatte: „Ich machte Luftsprünge, als ich bei FWW unterkam.“ Die Hausfrau aus Delmenhorst durfte fortan allmorgendlich um 4 Uhr aus dem Bett springen und mit einem Trupp der Hamburger Firma „FWW Spezial-Gebäudereinigung“ auf Putztour gehen. Zwei Stunden täglich, zehn pro Woche, brachten ihr seit Mai 1985 ein Zubrot mit 8,77 Mark Stundenlohn (netto) ein.

Als Ingrid Rinner-Kühn im Dezember 1987 eine Woche lang arbeitsunfähig geschrieben wurde, blieb der Lohn jedoch aus: Das bundesdeutsche Lohnfortzahlungsgesetz schließt „geringfügig Beschäftigte“, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn oder monatlich 45 Stunden nicht übersteigt, von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aus.

Mehr als 2,8 Mio ArbeitnehmerInnen sind in der Bundesrepublik derart „geringfügig beschäftigt“. Das Bundesministerium für Arbeit fand heraus: Knapp 90 Prozent von ihnen sind Frauen, fast die Hälfte laut Statistik „Haushaltsführende.“ Die meisten arbeiten, weil der Mann arbeitslos oder Rente oder Sozialhilfe nicht ausreichend ist oder der Ex-Mann seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

Wie Ingrid Rinner-Kühn fallen 240.000 Beschäftigte im Reinigungsgewerbe unter diese „Geringfügigkeits-Klausel.“ Zusammen mit ihrer zuständigen Gewerkschaft „Bau-Steine -Erden“ entschloß sich die Delmenhorster Raumpflegerin, vor dem Arbeitsgericht in Oldenburg exemplarisch die Lohnfortzahlung einzuklagen. Und dort saß eine Richterin, die in dem Fall ebenfalls eine Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Frauen sah. Sie schaltete den Europäischen Gerichtshof ein. Die Richter in Luxemburg befanden dann auch: Prozentual leisten „erheblich weniger Frauen als Männer“ die Mindestzahl der Arbeitsstunden, die Voraussetzung für den Anspruch auf Lohnfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist. Daraus schlossen sie weiter: „daß eine Bestimmung wie die hier vorliegende im Ergebnis die weiblichen gegenüber den männlichen Arbeitnehmern diskriminiert und grundsätzlich im Widerspruch zur Zielsetzung des Artikels 119 EWG-Vertrag (auf Gleichstellung der Frau im Arbeitsleben) steht.„

Zulässig wäre die Ungleichbehandlung nur, wenn „objektive Faktoren“ die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer rechtfertigen, die eben „nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ zu tun haben. Die Bundesregierung hatte im Verlauf des Verfahrens dem europäischen Gerichtshof jedoch nur erklärt, daß die geringfügig Beschäftigten „nicht wie andere Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert“ seien. Gründe aus „objektiven Faktoren ihrer Sozialpolitik“ nannte sie nicht. Damit kann das zuständige Arbeitsgericht in Oldenburg entgegen dem Lohnfortzahlungsgesetz entscheiden: In Zukunft könnten auch Teilzeit- und Aushilfskräfte Lohnfortzahlung erhalten - mit weitreichenden Folgen auf die Kranken- und Rentenversicherung vieler Frauen.

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