Nachhilfe in Koalitionsfragen

■ Die Grünen kamen aus Bonn, um sich von den Berliner ALern die Koalition erklären zu lassen

Alternative Liste und Grüne wollen im Frühjahr kommenden Jahres mit einem „Perestroika-Kongreß“ Berlin zum „Vorreiter des Ost-West-Dialogs“ machen. Bundesvorstandsmitglied Ralf Fücks sagte gestern, die Partei wolle damit dazu beitragen, daß das Image Berlins als „Frontstadt des Kalten Krieges“ abgebaut würde. Wann genau der Kongreß stattfinden soll, steht noch nicht fest.

Fücks ist einer der acht Mitglieder des Grünen -Bundesvorstands, die sich gestern auf Einladung der Alternativen Liste über den Stand der rot-grünen Koalition informieren ließen. Man wolle die Berliner Erfahrungen für die kommenden Landtagswahlen und für die Bundestagswahlen 1990 auswerten, sagte Fücks vor der Presse.

Viel Neues nehmen die Bundesgrünen aber offenbar nicht mit nach Hause. Fücks betonte gestern noch einmal die „große bundespolitische Bedeutung“ der Berliner Koalition. Dem sei es geschuldet, daß die Grünen als „machtpolitischer Faktor“ wieder in die Diskussion gekommen seien. Berlin spiele eine Pionierrolle und eröffne eine Option für neue politische Mehrheiten in Bonn.

Er wollte es zwar nicht als Kritik verstanden wissen, konstatierte aber bei der Alternativen Liste, daß sie sich in den ersten Monaten der Regierungszeit stark auf die sogenannten „Erblasten“ konzentriert habe. Jetzt erst könne man beginnen, Grundlagen für neue politische Zielrichtungen zu legen. Für eine rot-grüne Perspektive in Bonn sei es wichtig, so Fücks, daß die Grünen jetzt auf „Schlüsselgebieten“ die Meinungsführerschaft übernähmen. Er nannte Energie- und Friedenspolitik und Demokratisierungsbestrebungen. Wichtig sei es, daß nach einem Regierungswechsel „sichtbare Zäsuren“ erkennbar würden.

Die Frage, ob aus Sicht des Bundesvorstandes die Koalition bisher als Erfolg betrachtet werde, beantwortete Fücks ausweichend. Zu Rot-Grün habe es keine Alternative gegeben, gab er die defensive Begründung für die Koalition wieder, allerdings sieht er in der Stadtpolitik Ansätze in Richtung grüner Programmatik. Für die Grünen sei ein wichtiger Indikator, ob es in einer Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten Chancen für „eigene Akzente“ gebe.

Der SPD bescheinigte Fücks gestern, sie habe sich als „koalitionsfähig“ erwiesen. Als ein Beispiel nannte er die Entwicklungen in der Verkehrs- und Energiepolitik. Da habe sich die SPD zum Beispiel der Bewag gegenüber konfliktbereit gezeigt. Bundesweit würden die Sozialdemokraten sicher nur dann zu einer Zusammenarbeit bereit sein, „wenn sie nicht anders können“.

Nach den jetzt bekannt gewordenen Treffen zwischen Sozialdemokraten und Grünen dementierte Fücks Vermutungen über mögliche Absprachen über eine Zusammenarbeit auf Bundesebene. Es gebe derzeit keinerlei Verhandlungen mit den Sozialdemokraten. Er teile auch nicht die Meinung von Joschka Fischer, daß die Grünen 1990 personell noch nicht zu einer Koalition in der Lage seien. Allerdings, gab er zu, fehle es an „subjektiven Voraussetzungen“. Das „Abenteuer Koalition“ rühre an die Identität der Grünen.

Die Gespräche zwischen AL und Grünen dauerten gestern drei Stunden. Von seiten der AL nahmen Mitglieder des alten und neuen Parteivorstandes teil, außerdem die noch nicht in den Urlaub entschwundenen Rest-FraktionärInnen.

bf