: AMAZONEN LOHNEN?...
■ Das „Haus der Kulturen der Welt“ - ein Blick zurück
9. Februar 1989, 18Uhr: die Kongreßhalle, seit Jahresbeginn auch bekannt als „Haus der Kulturen der Welt“. Der Grund: Eben dieses „Haus“ will in Berlin tätige „Initiativgruppen, die sich in dieser oder jener Form mit außereuropäischen Kulturen beschäftigen oder ihnen angehören, zu einer Begegnung in unserem Haus einladen“ (Erklärungstext). Rund 100 Personen aus den unterschiedlichsten Gruppen und Zusammenhängen folgten dem Aufruf und labten sich erst einmal an der Bar - kostenlos, denn, so wurde erklärt, man sei Gast von Herrn Coenen, dem Generalsekretär.
Die Gründung, so hieß es, war ein Wunsch des Goetheinstituts. Lanciert wurde die Idee dann von der Berliner Festspiel GmbH, ein ungenannter Politiker griff die Idee auf, und dann „klappt es plötzlich mal“, so Generalsekretär Coenen. Das „Haus“ sei als GmbH organisiert mit den Gesellschaftern Berliner Senat und Bundesrepublik. Diese besetzten auch den Aufsichtsrat und würden gut darauf aufpassen, daß das zur Verfügung stehende Geld (2,5 Millionen Mark pro Jahr) „richtig“ ausgegeben werde. Man arbeite eng mit den Goethe-Instituten zusammen und verfüge somit über ein breites Netz von Zweigstellen, von den Anregungen für Ausstellungen, Festivals u.ä. kämen. Weitere Angebote kämen von Botschaften aus dem Ausland, fuhr Coenen fort.
Erste Skepsis machte sich breit - ob unter diesen Umständen nicht nur Kultur in Hochglanzpapier, bestenfalls garniert mit ein paar kritischen Alibi-Veranstaltungen zu erwarten sei. Und daß das weltweite Kontaktnetz doch nicht so überwältigend ist, erfuhr man allerdings erst knapp zwei Monate später aus den 'Tagesthemen‘: Die Goethe-Institute seien in einer Krise, viele Projekte und Neugründungen seien momentan absolut unwahrscheinlich.
Unbeirrbar ging es auf dem Podium weiter mit der Selbstdarstellung. Fremde Kulturen würden in der Regel zu einseitig dargestellt, diesem Klischee wolle das „Haus“ Kultur pur, Kultur zum Anfassen entgegenstellen. Man sehe sich als Veranstaltungs- und Kooperationsort, als Programm -Macher und Impressario in einem, man sehe sich als Haus der Basiskultur und wolle Kulturen ohne Chance, sich darzustellen, ein Forum geben. Mit dem nötigen Respekt vor den Kulturen, aber verständlich für das deutsche Publikum. Einbeziehen wolle man sie, die Betroffenen - aber ohne dabei ein Amateurtheater anzustreben - nein, ernstzunehmende Präsentation und authentische kulturelle Ausdrucksformen sollten im Vordergrund stehen.
Mit schönen Worten und rhetorischen Leistungen wurde an diesem Abend nicht gegeizt. Doch der Kulturbegriff der „Häusler“ blieb dabei auf der Strecke: Ein Interesse am jeweiligen Trend wolle man wecken mit den Ausstellungen und Veranstaltungen. Unklar bleibt bei den seither gezeigten Ausstellungen, was denn nun der derzeitige Trend sei - die Bandbreite im „Haus“ reichte von Südafrika über das „Festival der Weltkulturen“ bis zu den ach so beliebten Hopi -Indianern.
Gerade mit dem „Festival der Weltkulturen“ sähe man sich in engem Verbund, habe aber auch Kritik, da es nicht kontinuierlich genug sei, und ein Dialog nicht nur aus Festivals bestünde.
Doch eine wie auch immer geartete Kontinuität läßt sich bisher beim besten Willen in dem zusammengewürfelten Programm des „Hauses“ nicht erkennen. Im fliegenden Wechsel wurden Veranstaltungen reingewuchtet und abgebaut, Festivals und Workshops durchgezogen und bejubelt, ohne daß die „Betroffenen“ (wer ist das überhaupt diesmal?) sich blicken ließen. Zwar verschönerte ein eingeflogener Hopi-Indianer die Ausstellungseröffnung über sein Volk, aber an der Konzeption wirkte er nicht mit.
Doch zurück zu jenem lauen Februarabend: „Vielleicht ergibt sich ja hier und da eine Möglichkeit zur Kooperation“ (Einladungstext), „räumlich und finanziell“. Das magische Wort „Geld“ hielt nun die Geladenen bei der Stange - doch nach drei Stunden kontroverser Diskussion war klar, daß diesbezüglich im „Haus“ nichts zu holen sei. Die Antworten der sonst so redefreudigen „Häusler“ wurden ausweichender, man sei 1989 in einer Übergangssituation, überhaupt seien so viele Übernahmen schon zugesichert, man könne da nichts versprechen.
Ein Anruf einige Tage später beim Generalsekretär erbrachte das gleiche Resultat. Man sei so ausgelastet, daß in den nächsten Jahren an eine Einbeziehung anderer Gruppen gar nicht zu denken sei, quasi jede Besenkammer und erst recht jede D-Mark sei verplant. Der Verdacht kommt auf, daß das Kennenlerntreffen nur eine Art Alibiveranstaltung war, um die aufmüpfige Basis erst einmal ruhig zu stellen. Außer Spesen also nichts gewesen an diesem Abend, und die Spesen entfallen, weil man ja Gast des Generalsekretärs war (was sich seitdem nicht wiederholte, selbst bei Ausstellungseröffnungen muß der labende Trunk in harter Münze berappt werden).
Aus dem Publikum kamen noch ein paar kritische Fragen nach einem Beirat aus Betroffenen (der von den „Häuslern“ kategorisch abgelehnt wurde, da so etwas zu schnell zu einer etablierten Fraktion werde), wieso nur Deutsche Ressortleiter seien (was die „Häusler“ damit erklärten, daß es sich eben um eine deutsche, keine internationale Initiative handele) und wer entscheide, was ausgestellt würde und was nicht (woraufhin die „Häusler“ auf den Geschäftsführer verwiesen) - dann ging man nach Hause.
Und wurde in den nächsten Wochen und Monaten in einen Strudel gerissen aus einer deutsch-türkischen Woche, „Botschaften aus Südafrika“, einem „Festival traditioneller Musik“, einem „kirgisisch-indianischen Dialog“, dem „Festival der Weltkulturen“, „Amazonientagen“ und zuletzt Teilen der Mir Caravane. Suchte man anfänglich noch Zusammenhänge, einen roten Faden, so steigerte sich die Verwirrung von Veranstaltung zu Festival, von Podiumslesung zu Workshop mehr und mehr. Nicht spektakulär wollte man arbeiten, hallte die Stimme des Generalsekretärs noch dumpf in den Ohren, als bereits das nächste bombastische Festival über die Kongreßhalle hereinbrach. Alle Gebiete ansprechen, nicht regional vorgehen, wolle man, fiel einem wieder ein, als säuberlich getrennt voneinander „Amazonientage“ im Foyer und Hopi-Kunst im Tiefgeschoß ein fröhliches Stelldichein feierten - auf dem gleichen Raum, der nur drei Tage vorher noch das „Festival der Weltkulturen“ beherbergte. Der Austellung merkte man es an, fünf Minuten vor der Eröffnung war der letzte Nagel in die Wand gedroschen worden.
Betrachtete man hier die Hopi-Ausstellung, so erschien sie einem als eine einzige Enttäuschung. Dabei wollte man die von den Tübinger Ethnologen Albert Kunze zusammengestellte Wanderausstellung „professionel“ aufbereiten. Abgesehen davon, daß knapp die Hälfte der in der Bundesrepublik gezeigten Exponate im Rahmen der „Neubearbeitung“ schlicht und einfach fehlte (leere Wände sprechen da eine beredte Sprache), so war auch keinerlei Konzeption mehr zu erkennen. Hatte man in Tübingen, Karlsruhe und anderen Städten mittels Unterabteilungen wie „Geographie“, „Sozialleben“, „Stellung der Frau“ und ausführlicher Schrifttafeln versucht, einen differenzierten Einblick in die Welt der Hopis zu geben, so wurden die Exponate hier mit knappen Textstellen und dummdreisten Sprüchen a la „Alle Indianer sind zutiefst religiös“ begleitet. Das berühmte „Mutter-Erde„-Klischee wurde sattsam aufgegriffen - aber hatte nicht Herr Coenen gesagt, daß man keine Klischees...
Die Programmkonzeption zur Hopi-Ausstellung wirkte genauso dilettantisch wie die Ausstellung selbst. Im Filmprogramm wurden nahtlos Atombombenexplosionen, Wikingerschädel und Endzeitprophezeiungen mit den Hopi in Verbindung gebracht. Die eingeladenen Hopi erschienen zur Hälfte überhaupt erst gar nicht, und die Erschienenen verloren sich in triviale Plattheiten, die bestenfalls das esoterische Publikum interessierten - entsprechend wurde ein eher ethnologisch interessierter Mensch vom Publikum ausgebuht, als er - welch Frevel - wagte, eine kritische Frage zu stellen. Doch zumindest dem Begriff der Kultur zum Anfassen wurde die Ausstellung gerecht - die Gemälde hingen ungesichert an den Wänden und ließen sich bei Gefallen gegebenenfalls sogar mitnehmen.
Fehlt noch die Frage, wie sich das „Haus“ die Kooperation mit anderen Instituten vorstellt, angesichts der Tatsache, daß die in Berlin ansässige „Informationszentrale für nordamerikanische Indianer“ zwei Jahre im Auftrag des Tübinger Ethnologen an der Übernahme der Wanderausstellung gearbeitet hatte und vom „Haus“ geradezu überrannt wurde. Mit der lapidaren Äußerung, die Ausstellung sei „übernommen“ worden, machten die „Häusler“ ihren Anspruch fest, ohne daß die Initiative davon in Kenntnis gesetzt worden war.
In ähnlicher Weise wird von den „Häuslern“ ignoriert, daß seit Monaten im Völkerkundemuseum eine thematisch verwandte Ausstellung über die Pueblo-Indianer, zu denen auch die Hopi zählen, läuft. Stattdessen haben die Völkerkundler in dem knappen halben Jahr der Existenz des „Hauses der Kulturen“ nur die Erfahrung gemacht, daß das „Haus“ den Rahm in Form von Leihgaben und fachlicher Betreuung abschöpfen will, ohne darauf einzugehen, wem beides zu verdanken sei. Die Anfrage des „Hauses“ für das Kinderfest der „Amazonientage“, eine zirka 100 Jahre alte Trommel (Wert rund 50.000 Mark) zur Verfügung gestellt zu bekommen, damit die lieben Kleinen etwas zum Trommeln haben, spricht in diesem Zusammenhang für sich.
Von „Botschaften aus Südafrika“ zur Mir Caravane - es scheint zur Zeit nichts zu geben, was nicht in das immer noch undurchsichtige Konzept des „Hauses“ paßt - Hauptsache, die Kongreßhalle ist auf Biegen und Brechen voll.
R.S. Kelly
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