Zweifelhaft

■ Das Urteil im Palme-Prozeß

Ein Aufatmen geht durch Schweden. Fast drei Jahre nach dem Mord an Olof Palme, am Ende von jahrelangen staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen, die von peinlichen Fahndungspannen und Justizskandalen begleitet waren, präsentierte die Stockholmer Polizei vor acht Monaten einen 42jährigen Tatverdächtigen, der nun nach nur sechs Wochen Verhandlung für schuldig befunden wurde. Lebenslänglich lautet das Urteil, Höchststrafe. Insgeheim haben alle Schweden gehofft, daß es dieser Petterson war, da mochten die Zeitungen anfangs noch spotten, mit diesem geistig, verwirrten Vorbestraften habe man wohl den „idealen Täter“ gefunden.

Auch ohne Kenntnis der ausführlichen Urteilsbegründung darf festgehalten werden: Es war ein reiner Indizienprozeß, in dem vieles gegen Petterson sprach, die Beweislast aber nicht erdrückend war. So fehlten die Tatwaffe und ein plausibles Motiv. Auch die „absolut sichere“ Identifizierung des Täters durch Lisbeth Palme weckte bei Rechtsexperten Zweifel.

Allgemeines Aufatmen in Schweden über das Urteil, das jedoch einen zweifelhaften Beigeschmack nicht so schnell loswerden dürfte. Es wird nicht nur zweifelhaft bleiben, ob die Indizienkette wirklich „wasserdicht“ ist. Zweifelhaft bleibt auch, ob die Polizei die vielen anderen Spuren überhaupt ernsthaft verfolgt hat; etwa die, die auf rechtsradikale Polizeikreise oder auf einen Zusammenhang mit den illegalen Waffengeschäften schwedischer Rüstungsschmieden deuteten. Offenbar wollte man angesichts des traditionellen schwedischen politischen Harmoniestrebens keinem den Gedanken zumuten, der Täter könne ein politisch motivierter Schwede statt eines kriminellen Outsiders oder Kurden sein. Wäre Pettersson nicht verurteilt worden, hätte das ohnehin schon stark lädierte Vertrauen der Schweden in ihren Rechtsstaat weiter gelitten. Das Urteil setzt keinen Schlußpunkt unter die Merkwürdigkeiten des Mordfalles Palme sondern ist, so scheint es eher ein Teil von ihnen.

Gunnar Köhne