: Der Norden vor der Dürre
■ Zu wenig Regen: Schädlingsplage, Waldbrandgefahr, Baumsterben und Mißernte befürchtet
Die anhaltende Trockenheit schafft zunehmend Probleme. Nach Einbußen bei der Getreideernte sorgen sich die Bauern nun um Rüben und Kartoffeln. Schädliche Insekten haben sich sprunghaft vermehrt und machen Feldpflanzen und Bäumen auf ausgetrockneten Böden zusätzlich zu schaffen. In den Wäldern und in der Lüneburger Heide wächst nach ersten Feuern die Angst vor Waldbränden. Noch kein Problem gibt es dagegen mit dem Trinkwasser. Die Stauseen der Harzwasserwerke sind noch zu rund 60 Prozent gefüllt. Das Umweltministerium schließt Wasserrationierungen aus.
So trocken wie in diesem Jahr war es zuletzt 1976. Bisher fielen im Mittel 50 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter weniger als in durchschnittlichen Jahren. Die regionalen Unterschiede sind dabei allerdings groß. So fielen in Braunlage bis zum 20. Juli nur 111 mm Niederschlag. Der Mit
telwert liegt bei 367 mm. In den Flüssen sind die Wasserstände so weit gesunken, wie es im Herbst normal wäre. Auch das Grundwasser sank tiefer als normal ab. Das obere Grundwasser fiel im ersten Halbjahr bereits um 45 Zentimeter; normal sind 28.
Sollte auf diesen Sommer ein zweiter trockener Winter folgen, könnte die Trockenheit nächstes Jahr zur Dürre zu werden. Dann könnte auch die Trinkwasserversorgung aus dem Harz knapp werden. Zur Zeit lassen die Harzwasserwerke das fünf bis fünfzehnfache der normalen Wassermenge aus den Stauseen ab, um die Flüsse zu füllen. Die Zuflüsse in die Wasserreservate sind dagegen fast versiegt. Noch sind insgesamt rund 113 Millionen Kubikmeter Wasser in den Stauseen. Ausgetrocknet ist bereits die älteste Talsperre Europas aus dem Jahr 1721, der Oderteich bei St. Andreasberg. Auf dem Grund der zur Hälfte trockenen Okertal
sperre ist eine alte Landstraße wieder aufgetaucht.
Einen „Schub beim Waldsterben“ befürchtet die Forstverwaltung in St.Andreasberg für den Herbst und das kommende Frühjahr. Die Bäume brauchen bei Wärme und der damit höheren Verdunstung mehr Wasser. Besonders in den Hochlagen des Harzes ist der Boden aber tief ausgetrocknet. Borkenkäfer, Buchenwolläuse und Frostspanner greifen die geschwächten Bäume zusätzlich an. Im Oberharz ist das Heidelbeerkraut weitgehend vernichtet. Im Gefolge des starken Läusewachstums haben sich auch ihre natürlichen Feinde, die Marienkäfer stark vermehrt. Biologen rechnen damit, daß es in diesem Jahr drei Generationen der nützlichen Käfer geben wird.
Auf leichten Standorten wie in der Heide hat die Trockenheit zum Teil zu totalen Ernteausfällen geführt. Nun fürchten die Bauern vor allem die Schädlinge.
„Das Dreschergebnis beim Winterweizen hat die Bauern vom Hocker gehauen“, kommentierte ein Sprecher des Landvolkverbandes Niedersachsen. Durch den Gelbverzwergungsvirus, der durch Läuse übertragen wird, sind die Körner in den Ähren nicht gewachsen. Die Erträge liegen um bis zu 30 Prozent unter dem Vorjahr. Die Kammer in Hannover berichtet von deutlichen Anzeichen einer Vergilbung durch einen Virus bei Zuckerrüben.
Bei den Forstverwaltungen herrscht „höchste Wachsamkeit“ wegen drohender Waldbrände. Ein Sprecher der Bezirksregierung in Lüneburg sagte: „Noch nie sind wir so viele Überwachungsflüge geflogen wie in diesem Jahr.“ Gerade an den Wochenenden sind bereits viele kleine Waldbrände ausgebrochen. „Meist durch Unachtsamkeit, kleine 'Lagerfeuer‘ oder Brandstiftung“, berichtete ein Forstbeamter.
dpa
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