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Nachrichtensperre verhängt

■ Im Zusammenhang mit dem Mordanschlag in Neukölln Nachrichtensperre der Staatsanwaltschaft / Sieben türkische Männer verhaftet

Im Zusammenhang mit dem Mordanschlag aus einem fahrenden Auto am 10.Juli in Neukölln, hat die Staatsanwaltschaft eine „absolute Nachrichtensperre“ verhängt. Dies erklärte gestern Justizsprecher Achhammer auf Nachfrage der taz. Die Begründung: „Es handelt sich hier um einen hochbrisanten Bereich, weil es schon Tote in der Türkei und hier gegeben hat.“ Durch die Mitteilung von Namen oder Einzelheiten, so der Justizsprecher, könnten Leute Gefahr laufen, umgebracht zu werden.

Wie berichtet, war bei dem Anschlag der 48jährige Türke Ismet Y. durch einen Schuß in den Hals getötet worden, zwei seiner Begleiter waren verletzt worden. Nachdem die Täter unerkannt entkommen waren, wurden nach und nach sieben türkische Männer wegen Verdachts des Mordes oder der Anstiftung zum Mord in Untersuchungshaft genommen.

Ein Beamter der zuständigen Mordkommission wollte auf Nachfrage der taz geleichfalls keine nähreren Einzelheiten mitteilen. Er bestätige aber, daß Zeugen von Blutrache als Tatmotiv im Zusammenhang mit einem früheren Tötungsfall in der Türkei berichtet hätten. Eine amtliche Bestätigung aus der Türkei läge jedoch noch nicht vor.

Als vermeindlichen Drahtzieher des Mordanschlags in Neukölln vermutet die Staatsanwaltschaft den 43jährigen Türken C. Außer ihm wurden zwei seiner Neffen, ein Schwager und drei weitere Verwandte verhaftet. Nach Angaben von Rechtsanwalt Stübing, der den Hauptverdächtigen C. vertritt, bestreiten alle sieben Männer entschieden, etwas mit der Tat oder deren Planung zu tun zu haben.

Die von der Staatsanwaltschaft verhängte Nachrichtensperre bezeichnte Stübing als „großen Quatsch“. Die Annahme, daß hier Menschen gefährdet seien, zeuge - ganz allgemein gesprochen - von großer Unkenntnis: Blutrache sei in der Regel keine sponante Sache, sondern eine auf Jahre angelegte „Strafmaßnahme“.

C. lebt seit annähernd zehn Jahren hier und arbeitete zuletzt bei den Berliner Ford-Werken. Er ist Vater von neun Kindern. Nach Angaben einer Bekannten (ihr Name ist der Redaktion bekannt), sind es zum Teil nicht seine leiblichen Kinder, sondern die seines 1986 in der Türkei ums Leben gekommenen Bruders X. Nach Angaben der Bekannten wurde X. von Angehörigen der Familie Y. umgebracht. Der Grund: Blutrache. 20 Jahre vorher, wußte die Bekannte weiter zu berichten, sei bereits C.s erster Bruder, B., von Angehörigen der Familie Y. umgebracht worden: Angeblich weil er eine Pappel auf dem Nachbargrundstück gefällt hatte.

Ob und wie C.s Familie auf den Tod von B. und X. reagierte, wußte die Bekannte nicht zu sagen. Ihr war jedoch bekannt, daß C. als einzig überlebender Bruder „in großer Angst“ vor weiteren Anschlägen der Familie Y. gelebt habe. Daß C. den Tod seiner Brüder am 10. Juli in Berlin rächte, indem er aus dem fahrenden Auto heraus auf Ismet Y. schoß oder schießen ließ, konnte sich die Bekannte nicht vorstellen: C. sei ein ruhiger, besonnener Mann, der mit „primitiven“ Gepflogenheiten wie Blutrache nichts zu tun haben wollte.

Nach Angaben der Bekannten wird die Blutrache besonders im östlichen Teil der Türkei verübt. Je nachdem, ob Milderungsgründe vorlägen oder nicht, stünden darauf in der Türkei Strafen bis zu 15 Jahren.

plu

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