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Umsonst draußen - Ein Sonntagvormittag

■ Über den Versuch, am Sonntag eine Reportage zu machen / Zwischen Tierheim und Legoland

Ich muß einfach über eine mißglückte Reportage berichten!

Die Idee zu dieser Reportage entsprang dem Anblick einer Katze, die sich weigerte, den Inhalt ihres Freßnapfs zur Kenntnis zu nehmen, bloß weil sie das Preisschild auf der Dose gesehen hatte.

Der Hinweis auf die Katzen vom Forum Romanum prallte an ihrem dicken Bauch ab, mir aber fiel ein, daß das Schlechte doch viel näher liegt, und zwar im Tierheim zur Sommerzeit. Thema: böse Menschen und ihre lieben Tiere. Denn: Böse Menschen lieben keine Tiere. Außerdem ist Sommer-Zeitloch.

Die lieben Kollegen stimmen zu und lassen mich abfahren, mit dem Rad. Das Bremer Tierheim liegt an der Hemmstraße. Im Bürgerpark muß ich das erste Mal absteigen. Es ist Sonntagmorgen um elf. Männer spielen mit ihren Bootchen Bootchendirigieren im Parkhotelteich. 13oo Stunden hat der mit dem Heckfänger am Heckfänger zugebracht, aha, also ein Trawler, seinetwegen, nach echten Werftplänen alles selbstgemacht, das Schiff fährt nicht nur klein, sondern wirklich groß. Ja, einfach alles stimme an Bord. Daneben dahinzieht ein schwarzes Schlepperchen stolz wie Oskar. Und ein U-Bötchen spioniert unter Wasser die Bastelleistungen der Schiffsmodellclub-Freunde aus - im September ist nämlich großes Schaufahren.

Durch mein Wissen um das Wort „Trawler“ bereits genug bedroht, kehren sich die fünf Freunde bald wie ein Mann um, und ich fahre weiter. Hinterm Parkhotel lang, wo gut -geschlafen-Habende ihre Blendfahrzeuge aufsuchen. Ich erreiche ohne weitere Hindernisse (vom Nasezuhalten bei Joggerrudeln mal abgesehen) die Hemmstraße und Findorff.

Die Hemmstraße ist lang, hört überhaupt nicht mehr auf und leitet ein in eine Mischwassersammel-Baustelle des „Senators(!) für Umweltschutz“ und ein großes Kleingartengebiet.

Kurz davor sind die Supermärkte am größten attraktiv und preiswert. An einer Tankstelle kommt plötzlich Leben aus Autos. Plötzlich Einfamilienhäuser von links, die tun so, als könnten sie nichts dafür. Die Straße ist eine Bannmeile. Einzelne Frauen vorkommen an Männerarmen. Einzelne Männer radeln mit Bäuchen. Rechts der blickdichte Schießsportstand. Lebensgefahr! Steht 100 m weiter winzig am Umspannwerk, das träumerisch vor sich hin summt. Die Parzellen kommen. Jetzt wird es vollkommen still unter dem Glas. Hinter manchem Jägerzauntürchen steht bereits der alternative Nachbar und droht, den Gartenzwerg zu überwuchern. Die Wege haben alle Frauen-und Blumennamen und manche Schranken. Irgendwo fliegt ein Federball vorbei. Das ist unheimlich. Ist hier jemand?

Endlich, direkt neben der riesigen Mischwassersammel -Baustelle „Mischwasser '90“, die fertiggestellt Bremer Abwasser statt in die Wümme in die Kläranlage laufen lassen soll, also da, wo kein Hund begraben sein will, liegt das Bremer Tierheim. Aus einem versteckten Schild schauen vier Stadtmusikanten. Sehen sie nicht verjagter aus als sonst?

Das Tor ist zu. Doch, natürlich sei jemand da, sagt die Frau, die auf mein Klingeln hin unwillig näher kommt. Und natürlich seien wieder viel mehr Tiere als sonst da, aber nur der Heimleiter könne Presse, Funk und Fernsehen Auskunft geben. Und im übrigen seien ja jetzt Sommerferien und die Parzellisten hier (nicht hier natürlich), und die wollten verständlicherweise Ruhe. Ein Besuch bei den Tieren bringe Unruhe, da die Tiere bellten und was nicht alles.

Und so ziehe ich unverrichteter Dinge ab. Und fahre diesmal durchs Neubaugebiet „Weidedamm“ zurück. An was erinnert mich die „anspruchsvolle Architektur in Top-Qualität“ nur? Sieht nicht alles furchtbar freundlich und möglicherweise bewohnt aus, mit dem roten Gesamt-Backstein und den aufgesetzten Balustraden? Natürlich, das ist doch meine Legostadt!

Und wie ich so daherradle, erschrecke ich zwei kleine Mädchen in einer Haustüre. Sie starren mich an, als wäre ich ihre Feindin. Ich tröste mich, vielleicht wohnt drinnen eine Katze. Und schaue mich um, obwohl man sich hier nicht umschauen soll. Da versteinert alles.

Claudia Kohlhase

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