Schwieriger Flug für Senatorin Klein

Anne Klein aus dem Urlaub zurück / Sie will zu den Vorwürfen, am „Pilotenspiel“ teilgenommen zu haben, Stellung beziehen / Momper sieht bislang keine Veranlassung, die Senatorin aus dem Amt zu jagen / Feministische Gruppen werfen AL Doppelmoral vor  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

Die Wetten stehen 50 zu 50. Wird die Berliner Jugendsenatorin Anne Klein die politische Kampagne gegen sie überstehen, oder muß sie ihren Stuhl räumen? Noch steht der Regierende Bürgermeister hinter ihr, und auch die Alternative Liste - halbherzig zwar - gibt ihr Rückendeckung. Am Wochenende kehrte die Senatorin aus ihrem Urlaubsort in Spanien nach Berlin zurück, will aber erst heute, fast eine Woche, nachdem der Vorwurf „Zockerin“ gegen sie erhoben wurde, Rede und Antwort stehen.

Höchste Zeit, meinen viele ihrer Parteikolleginnen aus der Alternativen Liste. Sie regen sich mittlerweile gar nicht mehr so sehr darüber auf, daß „ihre“ Senatorin beim „Pilotenspiel“ mitgeflogen ist und dabei nach ihren eigenen Angaben 10.000 Mark kassiert hat, sondern sind vor allem über den Ablauf der „Affäre“ sauer. Politische Kampagnen haben ihre Eigendynamik, und der, so der Vorwurf an Anne Klein, habe sie nichts entgegengesetzt. Zunächst weigerte sie sich, zu dieser „lächerlichen Geschichte“ (O-Ton ihrer persönlichen Referentin) überhaupt etwas zu sagen. Mehr als einen Tag ließ sie ihre Telefonnummer von ihrem Urlaubsort geheimhalten, weder die AL noch der amtierende Bürgermeister kam an sie ran. Die CDU nutzte das Vakuum genüßlich. Häppchenweise präsentierte sie täglich neue Informationen über die „Zockerin“. Nichts ist schlimmer, als in solch einer Situation nicht in die Offensive zu gehen, wird ihr vorgeworfen.

Doch in Verärgerung über das „mangelnde politische Gespür“ der Senatorin dafür, wie in solch einer politischen Kampagne zu reagieren ist, mischt sich in der Alternativen Liste auch moralische Kritik. Denn zum „Pilotenspiel“ gehört es nun mal, daß man andere austrickst, das heißt mit dem Versprechen auf hohe Gewinne zum Mitspielen überredet. Von einer Senatorin, die dieses „kapitalistische Prinzip“ praktizierte, will man sich nicht unbedingt repräsentiert sehen. Daß das alles schon zwei Jahre her und deshalb völlig unrelevant sei, wollen nicht alle einsehen. Denn, so die Begründung: „Dahinter steckt eine Philosophie und eine Haltung, die legt man nicht nach zwei Jahren ab.“

Als „scheinheilig und bigott“ bezeichnen dagegen Frauen aus feministischen Gruppen diese Argumente und werfen der AL Doppelmoral vor. Die halbe Partei habe damals mitgespielt, jetzt plötzlich wolle man der Senatorin einen Strick daraus drehen. Auch grüne Frauen aus Bonn haben der AL vorgeworfen, nur einen Vorwand gesucht zu haben, um die ungeliebte Senatorin fallenzulassen.

Und tatsächlich läßt die Unterstützung der AL für Anne Klein an Leidenschaft zu wünschen übrig. Selbst diejenigen, die sie unterstützt haben, verhalten sich angesichts der massiven öffentlichen Kampagne und den Zockervorwürfen distanziert. Die CDU hat sich in der geschickt angelegten Kampagne gegen Rot-Grün die Senatorin ausgegesucht, die am angreifbarsten ist. Als Person, weil sie kühl und sperrig wirkt und sich schwer tut, öffentliche Sympathie zu gewinnen; als Politikerin, weil sie wenig Erfahrung hat, und als Parteifrau, weil sie in die AL-Politik nicht eingebunden ist und das, was die Partei als „neue Frauenpolitik“ für die Stadt ins Koalitionsprogramm geschrieben hat, nicht sichtbar gemacht hat. Jetzt rächt sich die ganze Halbherzigkeit, mit der Anne Klein von der Mitgliederversammlung im April dieses Jahres nominiert wurde. Und es zeigt sich die Zerstrittenheit der Berliner Frauenszene, die nicht verstanden hat, daß eine Senatorin keine Lobbyistin der Berliner Szene ist, sondern eine ganze Stadt mitzuregieren hat.

Kaum war Anne Klein Samstag nacht in Berlin-Tegel gelandet, knöpfte sich der Regierende Bürgermeister die Jugendsenatorin vor. Walter Momper will einen stabilen Senat und denkt taktisch. Wenn Anne Klein heute der Öffentlichkeit überzeugend und schlüssig darstellen kann, daß sie nur einmal und dann nie wieder „Pilotin“ gewesen ist, wie sie es erklärt hat, sieht er keine Veranlassung, sich von ihr zu trennen.