: „Ich werde ohne jedes Bedauern gehen“
■ USA und Vietnam einigen sich auf Ausreiseabkommen / Washington rechnet mit 90.000, Hanoi mit 400.000 Emigranten
Ho-Chi-Minh-Stadt (afp) - Für Hunderte ehemalige Gefangene aus Südvietnam war es eine besondere Woche: Vor dem vietnamesischen Außenministerium in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, feierten sie begeistert das neue Abkommen zwischen den USA und Vietnam, das Beamten und Offizieren des alten Regimes die Ausreise in die USA erlaubt. Die meisten von ihnen sind ehemalige Soldaten der südvietnamesischen Armee, die nach dem Sturz des Saigoner Regimes 1975 lange Jahre in Umerziehungslagern interniert waren.
Von dem Abkommen zwischen Washington und dem sozialistischen Hanoi erfuhren sie aus dem Radio. Aufgeregten eilten sie zum Außenministerium, um ihre Ausreisegenehmigung durchzusetzen. „Wir treffen uns oft vor dem Ministerium, aber diesmal ist es anders als sonst endlich dürfen wir ausreisen“, erklärte ein ehemaliger Hauptmann der südvietnamesischen Armee, der zwölf Jahre in einem Umerziehungslager im nordvietnamesischen Nam Ha absaß.
Für diesen früheren Hauptmann ist eine Ausreise in die USA in greifbare Nähe gerückt. In dem am Sonntag unterzeichneten Abkommen heißt es, „entlassene Insassen von Umerziehungslagern, die mit den USA oder ihren Alliierten (im Vietnamkrieg) direkt verbunden waren und mit ihren engen Verwandten auszuwandern wünschen“, erhalten die Erlaubnis, dies zu tun. Bis Ende dieses Jahres sollen bereits die ersten 3.000 Vietnamesen in die USA ausreisen dürfen. Das Übersiedlungs-Programm soll im Oktober beginnen.
Während in Washington die Zahl der ehemaligen Gefangenen und ihrer Angehörigen auf rund 90.000 geschätzt wird, nennt Hanoi eine Zahl bis zu 400.000 Personen. Von US-Seite wurde unterdessen wiederholt erklärt, daß in den USA alle ehemaligen Gefangenen aus Südvietnam willkommen seien. Das Abkommen war nach sieben Jahren diplomatischer Bemühungen zustande gekommen. Seit Ende des Vietnam-Kriegs 1975 unterhalten die USA und Vietnam keine diplomatischen Beziehungen mehr.
Die meisten haben es eilig: „Natürlich bin ich froh, aber 1.000 Ausreisen pro Monat, das ist einfach zu langsam“, erklärt der 50jährige Pham Tan Moi, der früher für den südvietnamesischen Geheimdienst CIO gearbeitet hatte. Einige können es gar nicht erwarten, die Bedingungen für die Ausreise in Erfahrung zu bringen und haben Angst, noch länger warten zu müssen. Viele können unter dem „Geregelten Abreise-Programm“ des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge auswandern. Ziel des Programms ist es, die Zahl der Boat people zu reduzieren, die zu Zehntausenden in Flüchtlingslagern in benachbarten Ländern leben. „Ich werde ohne jedes Bedauern gehen, und ich habe für dieses Recht teuer genug bezahlt“, betont ein weiteres ehemaliges CIO -Mitglied, das 1984 aus dem Lager entlassen wurde und seitdem arbeitslos ist.
Auf der anderen Seite des Platzes haben sich amerasische Kinder versammelt, die einen amerikanischen Vater haben. Auch sie warten auf ihre Ausreisegenehmigung in die USA. Ebenso wie die Amerasier treffen sich auch die ehemaligen Gefangenen regelmäßig vor dem Ministerium, um ihre Ausreise durchzusetzen. Jeden Montag und Mittwoch kommen sie gewöhnlich, ohne daß die Polizei eingreift. In dieser Woche verliefen ihre Zusammenkünfte fröhlich, sie verabschiedeten sich mit dem „V„-Zeichen für Victory - Sieg. Am nächste Montag wollen sie wiederkommen.
Jean-Claude Chapon
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