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Bald Bio-Kotelett von Brillen-Fielmann?

Brillen-Fielmann macht grünen Bauernhof / Bauern sehen rot / Angst vor marktbeherrschender Position / Bauernorganisation wittert falschen Stallgeruch / Modellhof mit Durchschnittsgröße / Was die Welt im Innersten zusammenhält  ■  Von Wieland Giebel

Berlin (taz) - Werden die Preise von Biogemüse demnächst so gedrückt wie die von Brillen? Entwickelt Fielmann die Bio -Turbo-Kuh zur biologischen Massenversorgung? Der Brillenhersteller Günther Fielmann hat dieser Tage 25 Kilometer von Hamburg entfernt, in Lütjensee, einen achtzig Hektar großen Hof gekauft, auf dem jährlich 160.000 Liter Milch erzeugt werden dürfen. Angegliedert werden sollen eine Meierei, eine Bäckerei, ein Labor, ein Kühlhaus und neben dem Laden am Hof ein Geschäft in Hamburg. Doch diese jüngsten Fielmannpläne erfreuen sich keineswegs ungeteilter Freude: Im Gegenteil. Bauern der „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“ (AbL) bekommen es mit der Angst zu tun. Denn Fielmann will selbst Mitglied in der AbL werden - ausgerechnet der Organisation, die gegen die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft kämpft. Daß jetzt ein Newcomer aus der Industrie, der seine Konkurrenten bisher mit Billigbrillen weit hinter sich ließ, in die Landwirtschaft einsteigen will, läßt bei einigen Bauern die rote Warnlampe aufblinken: Vorsicht, industrielle Landwirtschaft, Wolf im Schafspelz will in unsere eigenen Reihen eindringen!

Aus ökologischer Sicht wird der Hof wohl kein Problem. Denn Fielmann stellt den Betrieb im Moment von konventionellem auf Bioanbau um und will „Bioland„-Mitglied werden. „Bioland“ kontrolliert dann den Anbau. Doch auch dieser ökologische Ansatz ist den Bauern von der AbL kein Grund zur Freude. Seit Jahren fordern sie zwar die Umstellung möglichst großer Felder auf Ökoanbau, damit das Gift von den Nachbarn nicht zu ihnen hinüberweht. Aber Fielmann lieben sie trotzdem nicht. „Denn“, erklärt Heiner Iversen von der AbL, „wenn er als Industrieller mit Kapital im Hintergrund allmählich eine marktbeherrschende Stellung bei uns einnimmt, kann sich das Verhältnis zur AbL über die Jahre umdrehen. Er kann dann sagen: Wenn ihr mir nicht entgegenkommt, steige ich aus.“ Iversen hat Angst, daß die Prinzipien bäuerlicher Landwirtschaft aufgeweicht werden, daß Fielmann die AbL dominieren könnte. Und er befürchtet, daß die benachbarten Betriebe von Fielmann abhängig werden. Denn der Industrielle will deren Erzeugnisse über seinen Vertrieb mitvermarkten. Mit seiner wirtschaftlichen Macht könne der Billigbrillen-Anbieter versuchen, die Erzeugerpreise zu drücken, weil er auf seinem Hof billiger produzieren kann, argwöhnt die AbL.

Ob Fielmann das wirklich kann, erscheint bisher allerdings zweifelhaft. Denn sein Hof ist nicht größer als der Durchschnitt der anderen landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein, die ihre Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher vermarkten. Der Chef des Fielmann-Hofes Lütjensee, Dr.Gerhard Bosselmann, kontert denn auch: „Wir gehen in die AbL, um uns zu stellen, nicht um sie niederzuknüppeln.“ Bosselmann kommt aus der Landwirtschaft und ist promovierter Betriebswirtschaftler. Er nimmt die Sorgen der kleinen Höfe auf, die teils weit entfernt vom Markt sitzen oder sich spezialisiert haben und deswegen schwer vermarkten können. „Zwei benachbarte Betriebe sind schon an mich herangetreten mit der Aufforderung: Wenn ihr unsere Erzeugnisse vermarktet, stellen wir auf ökologischen Landbau um.“ Fielmann macht ein attraktives Angebot: Er will ihre Produkte zu Festpreisen abnehmen. „Wir wären ja wahnsinnig, wenn wir die Preise drücken würden. Ich bin selbst Landwirt und kann kalkulieren. Mich kostet der Biohof mehr als ein konventioneller, und das muß sich rechnen. Fielmann finanziert den Einstieg, aber dann müssen wir schwarze Zahlen schreiben. Das ist weder Hobby noch PR für Fielmann“, meint Gerhard Boszelmann, „Brillen werden spottbillig produziert, und die Optiker verdienen sich beim Verkauf eine goldene Nase. In der Biolandwirtschaft arbeiten die Bauern schwer und verdienen wenig.“

Daß sich Fielmann eine goldene Nase verdienen kann, glaubt auch der Öko-Berater der zuständigen Landwirtschaftskammer, Gustav Alvermann, nicht. „Dumpingpreise in der biologischen Landwirtschaft sind nicht möglich. Fielmann kocht da auch mit Wasser.“ Außerdem hätten heute schon Regionalverteiler auf dem Biomarkt eine Monopolstellung, die einschneidender sei, als Fielmanns Hof mit der derzeitigen Konzeption je sein könne, meint Alvermann.

Und was sagt Meister Fielmann selbst? Obwohl die Nachfrage nach Bioprodukten größer sei als das Angebot, litten die Biobauern unter Vermarktungsproblemen. Sein Hof sei aber derart winzig, daß er nie den Markt dominieren könnte, selbst wenn Bauern aus der Umgebung zulieferten. Dazu reiche selbst seine ökonomische Potenz nicht aus.

Und seine Motivation für den Mini-Einstieg in die Landwirtschaft? Als „abendländischer Mensch“ beruhten seine Entscheidungen auf emotionalen und rationalen Überlegungen. Rational, weil unsere Landwirtschaft nicht gesund sei. Emotional, weil er auf dem Land groß geworden sei und es ihn jetzt wieder dorthin zurückgezogen habe. Und nicht zuletzt müsse man ja auch an die Zukunft der Kinder denken. Spätestens beim ersten Kind überlegen besorgte Eltern, wo sie die Biokörner für ihren Sproß bekommen können.

Fielmann denkt weiter. Vorigen Montag wurde sein Sohn Mark David Günther Fielmann geboren. Mit einem eigenen Biohof entfällt der Zweifel, ob die Körner und die Milch auch wirklich biologisch sind.

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