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Blutgeld für die Kotzbrocken

Englische „Cricket-Rebellen“ kassieren in Südafrika ab: 300.000 Mark für zwei Jahre Apartheidförderung  ■  Von Ralf Sotscheck

Mike Gatting ist ein englischer Gentleman. Deshalb spielt er Cricket, die vermutlich britischste Sportart, deren Regeln für Außenstehende undurchschaubar sind. Bis zum letzten Jahr war er Kapitän der englischen Nationalmannschaft. Während der Vorbereitungen für ein Länderspiel in Nottingham lud er jedoch eine Kellnerin auf sein Hotelzimmer ein - für einen „Geburtstagsumtrunk“. Da das dem Benehmen eines Gentleman völlig unangemessen war, wurde er fallengelassen wie eine heiße Kartoffel.

So kam ihm die Einladung für eine Südafrika-Tournee in der vergangenen Woche gerade recht. Gatting scharte 15 Spieler um sich und unterzeichnete einen Zweijahresvertrag für insgesamt neun Testspiele gegen die südafrikanischen „Springboks“. Die Tournee soll im nächsten Januar beginnen. Von den 16 Spielern hat nur einer noch nicht in der englischen Nationalmannschaft gespielt, drei Spieler waren sogar Kapitäne der England-Auswahl. Allerdings stehen die meisten Spieler kurz vor der Rente, und so macht ihnen die automatische siebenjährige Verbandssperre wegen der Mißachtung des Südafrikaboykotts nicht viel aus. Ohnehin kann ihre Sperre dem englischen Team, das sich gerade gegen Australien erneut furchtbar blamiert hat, nur gut tun, weil es die längst fällige Verjüngungskur unausweichlich macht.

Nun haben Gatting und seine 15 „Rebellen“ natürlich auch von dem Gleneagles-Abkommen gehört, das Sportwettkämpfe in dem Apartheidstaat untersagt. Doch die „Rebellen“ behaupten tatsächlich, daß ihre Tournee dazu beitragen wird, Apartheid im Cricket abzubauen. Unglücklicherweise war bisher niemand naiv genug, ihnen das zu glauben. Die Zweifel an den hehren Absichten der Cricketspieler wurden durch die Bekanntgabe der Gagen geschürt: Jeder Spieler kassiert über 300.000 Mark.

Die Rolle des Geldes

Darüber hinaus hatte Gatting seinem Co-Rebellen Paul Jarvis nicht eindringlich genug eingeschärft, daß Geld bei der Südafrika-Tournee keine Rolle spiele. Jarvis jammerte in einem Fernsehinterview lauthals über die hohe Hypothek auf sein Haus und rechnete vor, wieviele Jahre er für England spielen müsse, um auf dasselbe Gehalt zu kommen.

Die „Rebellen“ sagen, daß der südafrikanische Cricket -Verband SACU und sein Präsident Ali Bacher den englischen Nationalsport in den schwarzen Townships verbreitet hätten. Der Profit aus der „Rebellen„-Tournee soll in den weiteren Ausbau von Cricketplätzen in den Townships gesteckt werden. Und wo Schwarze Cricket spielen dürfen, kann Apartheid ja nicht so schlimm sein. Bachers Liberalismus geht allerdings nicht so weit, Schwarze und Asiaten in seinen Verband aufzunehmen - dafür gibt es schließlich eigene Verbände. Doch Bacher ist noch ein besonderer Coup gelungen: Er konnte die beiden „farbigen“ Briten Philip DeFreitas und Roland Butcher dazu überreden, an der Cricket-Tournee teilzunehmen. Deren Zusage hat britische Spitzensportler entsetzt. John Regis, Hallenweltmeister über 200 Meter, sprach für viele: „Die beiden kotzen mich an. Sie haben uns Schwarze für Blutgeld verraten. Sie sollten ihre Fressen in keinem britischen Stadion mehr zeigen dürfen.“

Der Medienwirbel um die Cricket-Tournee kam den britischen Rugby-Spielern höchst ungelegen. Diese wollten nämlich in zwei Wochen selbst zur Hundertjahrfeier des südafrikanischen Rugby-Verbands nach Johannesburg aufbrechen. Nach der öffentlichen Geißelung der Cricket-Kollegen haben die meisten Rugby-Spieler jedoch ihre Teilnahme abgesagt, so daß die Tour wahrscheinlich ausfallen muß. Dasselbe Rugby -Turnier sorgt auch in Frankreich für Aufsehen. Nach einer Warnung der Regierung haben dort einzelne Spieler erklärt, privat nach Südafrika reisen zu wollen. Und wenn sie dann jemand bitte, Rugby zu spielen, würden sie das nicht ablehnen.

Die Wahl des Zeitpunkts der „Rebellen„-Cricket-Reise nach Südafrika im Januar liegt dem britischen Cricket-Verband schwer im Magen. Am gleichen Tag, an dem die „Rebellen“ nach Johannesburg fliegen, reist das offizielle englische Team für mehrere Länderspiele in die Karibik. Darüber hinaus beginnen im Januar die Commonwealth-Spiele im neuseeländischen Auckland. Britische Sportfunktionäre befürchten, daß verschiedene afrikanische und asiatische Commonwealth-Staaten die Spiele boykottieren könnten. Diese denken jedoch gar nicht daran. Die 63 teilnahmeberechtigten Länder haben für den nächsten Monat eine Sonderkonferenz einberufen, wo über den Antrag entschieden wird, Großbritannien - das Mutterland des Empire - von den Spielen auszuschließen.

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