: Geisel-Markt der Möglichkeiten
■ Israel hält an der Forderung nach einem umfassenden Gefangenenaustausch fest / Die Freilassung von 450 arabischen Häftlingen und die Rückkehr ausgewiesener Palästinenser in ihre Heimat werden gefordert
Tel Aviv/Beirut (taz/afp) - „Auf dem orientalischen Markt zählen erste Angebote nicht. Es werden noch viele nachkommen.“ Mit diesen Worten kommentierte der stellvertretende israelische Außenminister Benjamin Nethanjahu einen Vorschlag der Entführer des US-Bürgers Joseph Cicippio nach einem Austausch ihrer Geisel gegen 450 arabische Gefangene in Israel. Führende Politiker in Jerusalem lehnten dieses Ansinnen erwartungsgemäß ab, da von einer Freilassung der drei gefangenen israelischen Soldaten im Libanon nicht die Rede ist.
Nethanjahu, der das israelische Vorgehen in der Geiselfrage koordiniert, erklärte, man habe bereits die Fühler zu ersten Verhandlungen ausgestreckt. „Wir arbeiten ziemlich eng mit Washington zusammen. Das Angebot von Hizbollah ist der erste Schritt in einem langen Verhandlungsprozeß“, meinte der stellvertretende Außenminister. Er betonte die Bedeutung des entführten schiitischen Scheichs Abdel Karim Obeid bei einem „zukünftigen Handel“. „Wir werden uns Scheich Obeids als eines Hebels bedienen, um die Freilassung unserer im Libanon festgehaltenen Soldaten zu erreichen“, erklärte Nethanjahu.
Die „Revolutionäre Gerechtigkeitsorganisation“, in deren Händen sich Cicippio befindet, hatte in einem Kommunique die Freilassung von Obeid, 150 inhaftierten Libanesen und 300 Palästinensern aus den besetzten Gebieten gefordert, von denen die eine Hälfte den fundamentalistischen Organisationen „Hamas“ und „Islamischer Heiliger Krieg“ und die andere der „Vereinigten Führung“ des Aufstands in den besetzten Gebieten angehören. Außerdem verlangen die Entführer die Rückkehr der seit Beginn des Aufstands von Israel ausgewiesenen 55 Palästinenser in ihre Heimat.
Wie Nethanjahu rechnet auch der Vorsitzende des Knesset -Komitees für Sicherheit und auswärtige Beziehungen, Elijahu Ben-Elissar, mit einer ganzen Reihen von Vorschlägen und Angeboten seitens der Entführer. In der Öffentlichkeit soll darüber jedoch nicht verhandelt werden. Entsprechend hat die Regierung in Jerusalem beschlossen, alle Entscheidungen in der Geiselfrage nur im Rahmen des Kabinetts zu treffen. So soll verhindert werden, daß Informationen durchsickern. Im Falle akzeptabler Vorschläge sollten die Kontakte zu den Entführern über das Rote Kreuz oder andere Vermittler laufen, auf die sich Israel und die Vereinigten Staaten geeinigt haben. Die Regierung in Jerusalem möchte vermeiden, daß das Land die Hauptlast der Bemühungen trägt, einen Austausch in die Wege zu leiten. Daher beharrt Israel auch auf einem Austausch, der sowohl die Gefangenen israelischen Soldaten als auch die westlichen Geiseln, darunter acht US -Bürger, einschließt.
aw/bs
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