: „Mit Gewalt hochgehoben“
■ AL-Funktionär weist Vorwürfe gegen seine Teilnahme an stalinistischer Propagandaschau in Nord-Korea zurück / „Triumphzug“ war keiner
In der Bewertung seiner umstrittenen Reise nach Nord-Korea hat der AL-Funktionär Ismail Kosan gestern im Gespräch mit der taz betont, er habe sich nachträglich „mißbraucht gefühlt“ vom nordkoreanischen Propagandaapparat. Zugleich verwahrte er sich gegen Vorwürfe, er sei öffentlich als „Sprecher der AL“ aufgetreten und habe in dieser Funktion mit nordkoreanischen Regierungsvertretern Gespräche geführt. (die taz berichtete) Er sei vielmehr als „member“ (Mitglied) der AL gefahren und bei der Ankunft in Nord-Korea auch so vorgestellt worden. Kosan verwies darauf, daß das Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AL, Harald Wolf, ihm vor Antritt der Reise gestattet habe, dort im Namen der AL ein Grußwort abzugeben.
Die Kosten für den Flug habe seines Wissens eine hiesige koreanische Initiative übernommen, betonte Kosan. Diese Gruppe war auf die AL mit der Bitte zugekommen, einen AL -Vertreter für einen Marsch für Wiedervereinigung und Frieden zu nominieren. Falls das Geld doch aus Nord-Korea stamme, habe er das jedenfalls nicht gewußt, aber auch nicht danach gefragt. Ihm selbst sei erst im von der stalinistischen Kim Il Sung-Clique beherrschten Nord-Korea klargeworden, daß es sich bei dem sogenannten „Friedensmarsch“ ausschließlich um eine Propagandaveranstaltung der Regierung gehandelt habe. Der Marsch wurde in der Presse des Landes ausgiebig als internationale Anerkennung des diktatorischen Regimes ausgeschlachtet. Die Unterkunft und der Transport wurde von Regierungsseite bezahlt; die täglichen Marschetappen der Delegationen aus 30 Ländern - zumeist wurden nur kurze Strecken an Start und Ziel marschiert und der Rest gefahren
-wurden von staatlichen Stellen organisiert. Kosan, der im taz-Gespräch Nord-Korea als „Diktatur“ bezeichnete, versicherte, er habe sich im Verlauf der zehntägigen Reise wiederholt und vergeblich gegen die propagandistische Vereinnahme gewehrt. So habe er sich dagegen „gesträubt“, als die Regierung ausschließlich für die siebenköpfige deutsche Gruppe ein Flugzeug zur Verfügung stellen wollte. Von der Gruppe sei er allerdings überstimmt worden und sei dann mit der Gruppe mitgeflogen. Gegen seinen Willen sei er auch zum Leiter der deutschen Gruppe bestimmt worden, die an der Spitze des „Friedensmarsches“ laufen mußte. Dabei sei er vor dem Stadion der nord-koreanischen Hauptstadt von jungen Männern „mit Gewalt“ und „trotz unseres Widerstands hochgehoben worden“. Allerdings sei er nicht getragen, sondern lediglich kürzere Zeit gehalten worden. Im Stadion habe er vor über 100.000 Menschen „überraschend“ eine Rede halten müssen. Dabei habe er aus dem Stehgreif gesagt, er „überbringe herzliche Grüße von der AL“, welche die nord -koreanische Friedensinitiative unterstütze. In dem Gespräch mit einem Regierungsfunktionär, der den Wunsch nach besseren Beziehungen mit den GRÜNEN äußerte, will er kritisch auf den nordkoreanischen Personenkult und die fehlende Demokratie hingewiesen haben. Von einem Zeugen wurde dazu angemerkt, daß Kosan entgegen seiner Darstellung mehrere hundert Meter zum Stadion getragen wurde (siehe Foto). Bestätigt werden Kosans Vorbehalte gegen das Sonderflugzeug für die deutsche Gruppe.
Kosan will dem Führungsgremium der AL in den nächten Tagen von seiner Reise Bericht erstatten. Wie berichtet, will der Parteivorstand nach den Worten Harald Wolfs als Konsequenz der Reise über ein „künftiges Verfahren“ bei Auslandsreisen und Fragen internationaler Beziehungen beraten. Vor der Reise Kosans war in der AL überhaupt nicht diskutiert worden, ob und wie eine Reise nach Nord-Korea sinnvoll sein könnte.
gn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen