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Gute Vorsätze vom Wind verflogen

■ Zwei Jahre nach einem schweren Unglück, bei dem ein zehnjähriges Kind von einem Luftkissen erdrückt wurde, gibt es immer noch keine Sicherheitsbestimmungen / Eltern des Unglücksopfers kämpfen vergeblich gegen die Behörden, um anderen das gleiche Schicksal zu ersparen

Vor zwei Jahren endete das Rummelspektakel zur 750-Jahr -Feier Berlins auf der Straße des 17. Juni mit einem Luftkissenunglück, bei dem mehrere Kinder schwer verletzt wurden. Der zehnjährige Jan S. starb drei Wochen später an den Verletzungen, die er erlitten hatte, als sich das unbefestigte zentnerschwere Luftkissen durch eine Windböe hob und mehrere Kinder unter sich begrub.

„Nach Luftkissen-Unglück müssen Sicherheitsfragen geklärt werden“, forderten Politiker. Doch dabei blieb es: Diese rechtliche Unsicherheit müsse jetzt ausgeräumt werden, erklärte der damalige Baustadtrat von Tiergarten, Naujokat. Von einer „geplanten Gesetzesänderung“ gar wußte der Leiter der Festspiele, Torsten Maß. Bauaufsicht Tiergarten, TÜV und Festspiele GmbH wiesen die Verantwortlichkeit von sich; die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Betreiber des „Babbelplast„-Kissens wurden aufgrund eines Gutachtens der TU eingestellt. Danach sei der Unfall „nicht vorhersehbar“ gewesen. Außerdem stellte sich heraus, daß es weder Prüfvorschriften noch Betriebserlaubnisse bedarf, um ein Luftkissen aufzustellen.

Erfolglos bleiben seit zwei Jahren die Bemühungen der Eltern des getöteten Kindes, künftig derartige Unglücke zu verhindern. Ihre an die Berliner Festspiele GmbH gerichtete Anfrage, „welche Konsequenzen hinsichtlich der Sicherheitsbestimmungen beim Betreiben von Luftkissen aus dem tragischen Unglücksfall gezogen worden sind“, wurde vom Anwalt der Festspiele in arroganter Manier beantwortet: Da „Veranstaltungen wie das zentrale Stadtfest aus Anlaß der 750-Jahr-Feier Berlins nicht zu dem regelmäßigen Veranstaltungsprogrammen meiner Mandantin gehören, besteht bereits aus dieser Sachlage heraus für sie keine Notwendigkeit, selbst Schritte in bezug auf eine Sicherheitsüberprüfung derartiger Einrichtungen zu unternehmen“. Obwohl die Eltern ausdrücklich darum gebeten hatten, ihre Anfrage gegebenenfalls an die zuständigen Behörden des Berliner Senats weiterzuleiten, sah sich die Berliner Festspiel GmbH nicht in der Lage, dieser Bitte nachzukommen, da „ihr auch nicht bekannt ist, welche Behörde für den Erlaß derartiger Sicherheitsbestimmungen zuständig ist“.

Mit „Fassungslosigkeit“ reagierten Eltern und Anwalt in einem Antwortschreiben, zumal die Geräte auf Rummelplätzen und Veranstaltungen weiterhin ohne Sicherheitsauflagen aufgestellt werden. Im Mai dieses Jahres wandten sich die Eltern an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses. Der verwies die Eingabe unter Verweis auf die Zuständigkeit an den Innensenator weiter. Letzterer konnte „wegen fehlender Sachkompetenz“ die Fragen nicht beantworten; es fand sich jedoch wenigstens ein menschlich betroffener Sachbearbeiter, der in Erfahrung bringen konnte, daß sich weder Bezirksamt noch die Senatsbauverwaltung zuständig halten. Er „bedauert aufrichtig, nicht behilflich sein zu können“, und verweist wiederum auf den Petitionsausschuß.

Vor zwei Wochen nun erhielten die Eltern ein Schreiben des Rechtsamts Tiergarten, in dem erstmalig die Auffassung vertreten wird, es könne sich bei Luftkissen auch um bauliche Anlagen handeln, die somit behördlicher Prüfung zu unterliegen haben. Man habe die Senatsbauverwaltung gebeten, diese Rechtsauffassung zu prüfen. Außerdem sei der TÜV jederzeit bereit, entsprechende Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen.

Dies hatte der TÜV jedoch bereits vor zwei Jahren erklärt. Das Problem sei lediglich, so Herr Becker vom TÜV Berlin, daß der TÜV als freiwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen nur tätig werde, wenn ein Auftrag vorliege, Diesen erteile jedoch offensichtlich kein Betreiber, solange er nicht durch entsprechende Verordnungen dazu verpflichtet wird.

Die Aussicht behördlich festgelegter Normen und Auflagen beunruhigt dennoch die Betreiber von Luftkissen. Herr Kosack von der Firma H&K versichert, daß ihre Luftkissen immer befestigt und nur unter bestimmten Auflagen vermietet würden. Müßten die Betreiber künftig die TÜV-Überprüfungen zahlen, fürchtet Herr Kosack Auswirkungen auf sein Unternehmen (na und. aber es scheint ja üblich zu sein, leben gegen arbeitsplätze und wer weiß was aufzurechnen. sezza).

Doch solche Auflagen sind nicht in Sicht, wie eine Nachfrage bei der Bauverwaltung ergab. Man nehme, so Herr Noack, das „Problem nicht auf die leichte Schulter“ und werde dem Prüfungsersuchen des Rechtsamts Tiergarten nachkommen. Eine abschließende Entscheidung sei allerdings nicht im Berliner Rahmen zu treffen. Ob seine Behörde das Problem der Sicherheitsbestimmungen an die entsprechenden Gremien auf Länderebene weiterleitet, sei nicht geklärt.

Der Petitionsausschuß, so erfuhr die taz, wird nun doch in seinen nächsten Sitzungen die Eingabe der Eltern des getöteten Kindes behandeln.

Sigrid Bellack

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