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Bald „Grüner Dollar“ in der UdSSR

■ Volksdeputierte fordern Regierung auf, eigene Agrarüberschüsse gegen Devisen aufzukaufen / Erfolgsaussichten sind dennoch unsicher / Getreide verfüttert

Moskau (dpa) - Alle Versuche sind bisher gescheitert: Die Reform der siechen sowjetischen Landwirtschaft steckt immer noch in einer Sackgasse. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln verschlechtert sich von Tag zu Tag. Jetzt berichtete das sowjetische Fernsehen über leere Brotgeschäfte sogar in der Hauptstadt Moskau. Wirtschaftswissenschaftler warnten damals, wenn die Entwicklung anhalte, drohe in zwei Jahren eine Hungersnot. Der Kongreß der Volksdeputierten hat nun dieser Entwicklung Rechnung getragen und den Obersten Sowjet und die Regierung der UdSSR beauftragt, die teilweise katastrophale Versorgungslage durch Sofortmaßnahmen zu bekämpfen. Eine der Empfehlungen des Kongresses lautete, die Regierung solle Überschüsse aus der eigenen landwirtschaftlichen Produktion mit Devisen aufkaufen. Diese Idee hatte der populäre Agrarexperte Juri Tschernitschenko seit Jahr und Tag propagiert.

Der Hintergedanke dabei ist, daß die landwirtschaftlichen Betriebe mit den Devisen einen Anreiz erhalten, Überschüsse zu produzieren. Der Staat soll laut dieser Rechnung nicht mehr Valuta aufbringen müssen, weil er weniger Devisen für landwirtschaftliche Importe im Ausland ausgeben muß.

Ob diese Rechnung aufgeht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist keineswegs sicher, daß die Betriebe ihre Überschüsse an die Regierung verkaufen wollen. In der Ukraine wurden in diesem Sommer große Überschüsse an hochwertigem Getreide erwirtschaftet. Diese werden wie in den Jahren zuvor jedoch nicht auf dem Weltmarkt verkauft trotz guter Chancen -, sondern ans Vieh verfüttert. Begründung: Futterkosten sind höher als Einnahmen für den Weizen.

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