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Wie stehen wir zu Verhandlungen?

Am 6. Juni trafen sich die Spitzen der südafrikanischen Opposition zu einer Strategiedebatte in Lusaka / Auszüge aus dem vertraulichen Abschlußbericht  ■ D O K U M E N T A T I O N

Auf dem Treffen in Lusaka ging es unter anderem um eine Einschätzung der Diplomatie des seit gestern als Ministerpräsident amtierenden de Klerk und um eine gemeinsame Haltung zu den westlichen Initiativen. Vertreten waren der südafrikanische Gewerkschaftskongreß Cosatu, führende Mitglieder der United Democratic Front (UDF) sowie das gesamte Exekutivkomitee des African National Congress.

Unsere strategische Perspektive bleibt die offensive Aktion gegen das Regime und die Aussicht, daß das „vulkanische Material“ sich zu einem Aufstand auftürmt. Wir müssen deshalb sicherstellen, daß unser Aktionsprogramm in der Lage ist, die Vorstellungskraft der Menschen anzuheizen und die Aktion auf ein immer höheren Niveau zu schrauben. (...)

2. Verhandlungen. Als 1987 die Frage von Verhandlungen international aufmerksam verfolgt wurde, machte der ANC seinen Standpunkt klar: keine Verhandlungen, ohne bestimmte Vorbedingungen zu erfüllen. Daß zum Beispiel politische Gefangene freigelassen und der Ausnahmezustand aufgehoben würde. Das Apartheidregime war zu keinerlei Bewegung bereit, und die ganze Angelegenheit von Verhandlungen blieb in der Schwebe.

Seit kurzem jedoch ist sie wieder hochgekommen, als Resultat des gestiegenen Drucks, der von allen Seiten auf das Regime ausgeübt wird, und als Resultat von Initiativen, die die imperialistischen Kräfte gestartet haben. Es gibt klare Anzeichen dafür, daß das Regime diesmal positive Schritte unternehmen wird - in Richtung auf Verhandlungen und auf Erfüllung der 1987 gestellten Vorbedingungen. (...)

Information zu den Verhandlungsinitiativen:

2.1. Großbritannien. Großbritannien hat sich auf P.W. Bothas Abgang vorbereitet und Kontakte mit Schwarzen, weißen Liberalen, Geschäftsleuten usw. gepflegt. Das Foreign Office möchte außerdem Verbindungen zu der Demokratischen Massenbewegung und dem ANC, aber Downing Street glaubt, eine Lösung könne ohne den ANC gefunden werden.

2.2. USA. Die Amerikaner wollen einen Prozeß von „Kontakt, Dialog und Verhandlungen“ initiieren. Sie sind der Ansicht, daß die Ziele eines solchen Verhandlungsprozesses sich im Laufe von Treffen entwickeln werden. Ihrer Ansicht nach ist genau das in den Verhandlungen um Angola und Namibia passiert.

2.3. Treffen zwischen Pik Botha und Thatcher. Pik Botha hat Frau Thatcher mitgeteilt, die „Reformer“ hätten im Kabinett die Oberhand. Die Basis von de Klerk in Transvaal sei geschrumpft, daher sei er stärker auf die „Reformer“ angewiesen. Die „Reformer“ wollen, daß Frau Thatcher die Afrikaner beeinflußt, daß sie am Wahlprozeß teilnehmen. (...)

2.5. F.W. de Klerks Plan für ein „repräsentatives Forum“. De Klerk arbeitet an einem Vorschlag für Verhandlungen ohne den ANC. Er plant eine Art „repräsentatives Forum“ aller rassischen Gruppen, das vermutlich sehr bald eingerichtet wird. In diesem Moment, so läßt sich vorhersagen, wird Frau Thatcher einen Vorstoß unternehmen, um Südafrika Zugang zur Welt zu verschaffen. Ihre Kampagne gegen Sanktionen wird neue Intensität bekommen. (...)

2.6. Frontstaaten. Sambia ist auf Verhandlungen eingestellt und hat schon den Wunsch geäußert - sollte Südafrika seinen guten Willen demonstrieren -, dieses zu einem Treffen der Frontstaaten einzuladen. Mosambik und Südafrika unterhalten jetzt schon intensive Kontakte, und Genosse Eduardo Dos Santos (Staatspräsident von Angola; d.Red.) hat auf die Ansicht, wir müßten vor Einstieg in Verhandlungen in einer Position der Stärke sein, geantwortet, daß „wir möglicherweise nicht die Zeit haben, um diese Position der Stärke zu entwickeln“. (...)

Es gibt Anzeichen dafür, daß den Frontstaaten finanzielle Hilfe zum Wiederaufbau ihrer Wirtschaft versprochen wurde, sollte sich die „südafrikanische Frage“ lösen. Die permanente Destabilisierungspolitik Südafrikas treibt die Frontstaaten dann auch dazu, jedweder politischen Lösung zuzustimmen. Zum Teil diente Frau Thatchers Mission ins südliche Afrika dem Ziel, von den Frontstaaten Unterstützung für ihre geplanten Initiativen zu bekommen.

2.7. Andere Verbündete. Auf einem Treffen zwischen den Chinesen und unseren Genossen haben die Chinesen kürzlich unterschieden zwischen dem Ende der Apartheid und dem Ende der Herrschaft der Weißen. Ihrer Ansicht nach sollten wir auf langsame Bewegung vorbereitet sein und Modifikationen des Status quo als einen Ausgangspunkt akzeptieren.

Aus der Sowjetunion gibt es Anzeichen zur Bereitschaft, für eine friedliche Lösung der Südafrikafrage Seite an Seite mit dem Westen zu arbeiten. Die Kontaktgruppe, die von Frau Thatcher vorgeschlagen wird, könnte einige unserer engsten Freunde mit einschließen.

Nach den Septemberwahlen wird der Ausnahmezustand aufgehoben werden, Genosse Mandela und andere hochrangige politische Gefangene werden freigelassen werden (wir erwarten, daß Genosse Walter Sisulu schon sehr bald freikommt), vom Parlament wird eine Gesetzgebung beschlossen werden, die schwarze Abgeordnete ermöglicht, und ein Schwarzer könnte sogar ins Kabinett aufgenommen werden. Derzeit ist in ihren Zirkeln schon eine Person dafür im Gespräch.

Zur gleichen Zeit wird de Klerk alle Südafrikaner formell zu ei ner Open-end-„Indaba„-Konferenz einladen, um eine neue Regelung für Südafrika zu finden. Auf dem Commonwealth -Treffen in Malaysia in der zweiten Oktoberhälfte wird Frau Thatcher vermutlich den Ablauf einer politischen Lösung ankündigen und zu einem Ende der Sanktionen aufrufen. Das würde den ANC unter Druck setzen, an diesem Prozeß teilzunehmen und den bewaffneten Kampf zu stoppen. (...)

2.9. Unsere Perspektiven. Verhandlungen sind wieder ein Gegenstand der Diskussion, und zwar wegen der Manöver der Imperialisten, die von unseren langjährigen Freunden einige Unterstützung bekommen. Die Imperialisten wünschen, daß eine modifizierte/reformierte kapitalistische Gesellschaft das gegenwärtige Apartheidregime ersetzt. Das unterscheidet sich sehr von dem, wofür wir gekämpft haben...

Alternativ dazu, wie antworten wir oder steigen wir in den geplanten Prozeß ein? Wir müssen die Bedingungen des Wandels diktieren. Nichts soll in Gang kommen, wogegen wir sind. Unser Kampf besteht darin, Kontrolle über den Prozeß zu erlangen und sicherzustellen, daß Verhandlungen, wenn sie einmal zustande kommen, echt und ernsthaft sind.

Aus diesem Grund ist folgendes wichtig:

-daß wir alle diesselben vereinbarten Positionen haben, inner- wie außerhalb Südafrikas.

-daß wir eine Strategie besitzen, um die Kontrolle zu behalten, so daß diejenigen, die intervenieren, sich mit unserer Position auseinandersetzen müssen.

-daß unsere Position diejenige ganz Afrikas wird. Das ist ganz wichtig für unsere Fähigkeit, den Rest der Welt zu beeinflussen. Die Frontstaaten haben dabei eine entscheidende Rolle.

Zu diesem Thema müssen wir Vorschläge entwicklen, bevor der Rest der Welt etwas anderes vorbringt. Die Welt muß sich mit unserem Vorschlag beschäftigen, statt daß wir uns mit einer anderen Initiative auseinandersetzen müssen. Das würde uns einen Vorteil verschaffen und es möglich machen, daß wir den Prozeß kontrollieren und dirigieren. Wir müssen Wege finden, die Frage von Verhandlungen zu benutzen, um die herrschende Klasse weiter zu entzweien und zu spalten, statt daß diese Frage uns spalte. (...)

Zum Schluß erhebt sich die Frage: Wie dringend ist dies für unseren Kampf? Klar scheint, daß eine Anzahl von Treffen auf hohen Ebenen stattfindet. Wir müssen daher rasch handeln.

Das Treffen der Organisation für Afrikanische Einheit vom 29.bis 31.Juli ist daher entscheidend für die Formulierung einer einheitlichen Position Afrikas über die Frage eines möglichen verhandelten Arrangements in Südafrika. Wenn wir jeder anderen Initiative zuvorkommen wollen, müssen wir bis zu diesem Datum für unsere Position Unterstützung gewinnen, sobald diese ausgearbeitet ist.

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