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Europäische Gefahr für deutsches Honigbrötchen

Der Kampf um den letzten „naturreinen“ Brotaufstrich im Binnenmarkt wird von Bremen aus geführt / Lobby in Brüssel gegründet  ■  Aus Bremen Klaus Schloesser

Dem deutschen Frühstückshonigbrötchen drohen ernste Gefahren aus Europa. Denn was, wenn alle Grenzen fallen, alles als „Honig“ auf deutschen Tischen, in deutschen Müslis und Hausmitteln gegen Erkältungen landet, entzieht sich spätestens am 1. Januar 1993 der sprichwörtlichen Gründlichkeit deutscher Kontrollbürokratien. Auch was „Honig“ und was „kein Honig“ ist, wird dann nicht mehr in Bonn, sondern in Brüssel bestimmt. Was das bedeuten kann, wissen bundesdeutsche VerbraucherInnen spätestens seit dem juristischen Fall des deutschen Bierreinheitsgebots vor dem Europäischen Gerichtshof: Chemie, Schaumstabilisatoren und Konservierungsmittel dürfen jetzt in den goldgelben Gerstensaft. Droht auch dem Honig der Verfall der bislang strengen Qualitätsstandards?

Wenn es nach dem „Honig-Verband der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ geht, heißt die Antwort eindeutig: Nein. Denn wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Für den Honig wächst es vor allem in Bremen. Hier sitzt seit 1954 das Deutsche Institut für Honigforschung. Unter der Leitung von Cord Lüllmann werden hier jährlich bis zu 4.000 Honigsorten aus aller Herren Importländer auf Reinheit, Enzym-, Fructose - und Glucosegehalt untersucht, werden elektrische Leitfähigkeit und Wassergehalt unzähliger Honigproben ermittelt.

Eines der wesentlichen Ergebnisse der 35jährigen Bremer Honiggrundlagenforschung war 1976 der Erlaß der deutschen Honigverordnung. Im Honig-Inland war der Stoff damit erstmals eindeutig und rechtsverbindlich definiert als „flüssiges, dickflüssiges oder kristallenes Lebensmittel, das von Bienen erzeugt wird, indem sie Blütennektar, andere Sekrete von lebenden Pflanzenteilen oder auf lebenden Pflanzen befindliche Sekrete von Insekten aufnehmen, durch körpereigene Sekrete bereichern und verändern, in Waben speichern und dort reifen lassen“.

Darüber hinaus - und für die VerbraucherInnen vielleicht noch wichtiger - verfügt die Honigverordnung unmißverständlich: „Honig dürfen weder Stoffe zugesetzt noch honigeigene Stoffe entzogen werden.“ Bislang gilt im deutschen Supermarkt: Wo Honig draufsteht, ist auch Honig drin. Zusätze wie „naturrein“ oder „naturbelassen“ ändern am Reinheitsgebot nichts. Eine Ausnahme macht nur der „Backhonig“, der nach dem Erhitzung arg an Qualität verloren hat.

Auch an der zweiten Front im ständigen Kampf um Qualitätshonig hat sich das Bremer Honiginstitut unschätzbare Verdienste erworben. Denn auch in der Honigforschung gilt die Leninsche Direktive: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Und gerade in der Honigkontrolle litten deutsche Importeure jahrelang unter dem heillosen Wirrwarr der internationalen Honiganalysen.

Ein Honig, der extra in Andalusien mit einem ausgezeichneten Hydroxymethylfurfurol-Gehalt (HMF) von unter 20 mg/kg gemessen worden war, mußte in deutschen Laboren noch lange nicht die gleichen Werte aufweisen - ein Resultat höchst unterschiedlicher Nachweisverfahren, unterschiedlich exakter Meßgeräte und unterschiedlich qualifizierter ChemikerInnen. Auch hier hat das Honiginstitut inzwischen weitgehend für Ordnung gesorgt: die in Bremen in jahrzehntelanger Forschung erarbeiteten Analysemethoden sind inzwischen in allen wichtigen honigexportierenden Ländern verbreitet und jetzt vom Berliner DIN-Institut sogar standardisiert worden. Ein Erfolg der deutschen Honigimporteure, Honigabfüller und Honigversandhändler, deren Mehrheit seit über 60 Jahren im Honigverband organisiert ist. Sitz des Verbands mit 44 Mitgliedern ist wiederum Bremen. Damit laufen hier alljährlich die Schicksalsfäden von rund 80.000 Tonnen Importhonig zusammen, die zirka 80 bis 90 Prozent des bundesdeutschen Gesamthonigaufkommens ausmachen.

Der erfolgreiche langjährige Einsatz für das positive Image des Importhonigs, der ursprünglich vor allem ein Kampf gegen die Vorwürfe deutscher Imker und Honigfreunde gegen die mexikanische, türkische und chinesische Konkurrenz war, soll jetzt auch in Brüssel fortgesetzt werden. Unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Honigverbandes wurde deshalb inzwischen die europäische „Federation Europeenne des Emballeurs et Distributeurs de Miel“ (FEEDM) gegründet, die die Interessen des Honigs in einem geeinten Europa mit der geeinten Stimme der europäischen Honig-Importeure vertreten soll.

Einstweilen wird die Lobbyarbeit noch - wegen guter persönlicher Kontakte - aus London geleistet. Ziele der FEEDM nach ihrer offiziellen Akkreditierung in Brüssel: das deutsche Honig Reinheitsgebot und die strenge DIN-Norm für Honigqualitätskontrollen auch in den noch ausstehenden europäischen Honigrichtlinien zu verankern. Auch nach 1992, so der Bremer Verbandsgeschäftsführer Günther Hoffmann, soll Honig bleiben, was er war: „Das letzte natürliche Lebensmittel.“

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