piwik no script img

Grüne fordern Aufklärung über angebliche Folter der Swapo

Mit einem offenen Brief wenden sich die Grünen an die namibische Befreiungsbewegung Swapo in Sachen Folter in deren Reihen  ■ D O K U M E N T A T I O N

Dear Friends and Comrades of Swapo,

die Berichte über die schrecklichen Vorfälle in Euren Lagern in Angola haben uns bestürzt. Wir als Grüne verdammen Folter und Mord überall. Auch wenn wir uns der Schwierigkeiten Eures Befreiungskampfes gegen das rassistische und brutale Südafrika vollständig bewußt sind, sind wir doch besonders betroffen darüber, daß Ihr als Befreiungsbewegung offensichtlich zu menschenrechtswidrigen Methoden gegriffen habt. Auch finden wir Eure bisherige Reaktion auf die Berichte unbefriedigend. Nicht um über Euch zu richten, sondern um aus Eurer Antwort Klarheit über Euren Umgang mit dem Geschehen zu erhalten, schreiben wir diesen offenen Brief.

In den vergangenen Wochen sind rund 200 ehemalige Gefangene nach Namibia zurückgekehrt. Sie haben über schreckliche Lebensbedingungen in ihren Lagern, über Folter und Willkür und auch über Tötungen berichtet. Wir haben selbst mit mehreren ehemaligen Gefangenen gesprochen. Diese mögen zum Teil übertrieben haben; unseres Erachtens gibt es aber kaum Zweifel daran, daß die Berichte im Kern zutreffen.

Die jetzt bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen, die in Swapo-Lagern an vermeintlichen oder wirklichen Spionen begangen wurden, verblassen zwar gegen jene, die das südafrikanische Regime verantwortet. In diesem schmutzigen, von Südafrika angezettelten Krieg sind viele Grausamkeiten geschehen, die das namibische Volk niemals vergessen wird: Das Massaker von Kassinga im Mai 1978 ist nur ein herausragendes Beispiel, es gibt viele andere. Das südafrikanische Regime, das Namibia seit Jahrzehnten widerrechtlich besetzt hält, hat Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen. Und was die Swapo tat, war nicht Teil einer Aggression, sondern eines „Sichwehrens“ gegen den Aggressor.

Diese unleugbaren Unterschiede rechtfertigen das Geschehene in keiner Weise. Gerade eine Befreiungsbewegung, die für die Durchsetzung der Menschenrechte in ihrem Lande kämpft, darf dieses Ziel in den Methoden ihres Umgangs mit eigenen „Dissidenten/innen“ nicht aus den Augen verlieren.

Wichtiger, als das Geschehene zu bedauern, ist für uns allerdings die Frage, welche Konsequenzen die Swapo als Organisation daraus zieht. Noch sehen wir solche Konsequenzen nicht ausreichend. Anders als in Äußerungen von Moses Garoeb, Andimba Toivo ya Toivo und Theo Ben Gurirab, die „Fehler“ eingeräumt hatten, findet sich in dem offiziellen Statement vom 07.Juli 1989 kein Wort der Selbstkritik. Alles wird als Propaganda von gegnerischen Parteien und Südafrika abgetan.

Zwar ist uns bewußt, daß die Leiden der Gefangenen jetzt von Euren Gegnern, die zu den von Südafrika begangenen Grausamkeiten immer geschwiegen haben, für vordergründige politische Zwecke ausgebeutet werden.

Zwar wissen wir außerdem, daß es in der jetzigen politischen Situation drängendere Probleme für Euch und für Namibia geben mag. Dennoch: Offenheit nach innen und außen und die vorbehaltlose Verdammung jeglicher Art von Folter auch für das zukünftige Namibia - sind unabdingbar. Wir bitten Euch daher um Stellungnahme zu folgenden Punkten:

1. Auch höchste Verteter/innen der Swapo konnten uns gegenüber bislang nicht eindeutig ausschließen, daß es weiterhin politische Gefangene der Swapo gibt. Wir ersuchen daher um verbindliche Auskunft, ob - und wenn ja, wie viele

-weitere Gefangene in Swapo-Lagern festgehalten werden. Sollte dies der Fall sein, müssen diese Gefangenen gemäß Resolution 435 sofort freigelassen werden und nach Namibia zurückkehren können.

2. Die von Euch angekündigte Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission sollte - ungeachtet des derzeitigen Wahlkampfes - unverzüglich erfolgen. Jede weitere Verzögerung spielt nur den politischen Gegnern in die Hände.

3. Die verantwortlichen Personen müssen schnellstmöglich festgestellt und zur Rechenschaft gezogen werden. Wir sind der Meinung, daß insbesondere der Sicherheitschef Hauala, von dessen verantwortlicher Beteiligung an den Folterungen auszugehen ist, in diesem Fall sofort belangt werden muß. Sollte diese Person auch weiterhin hohe Swapo-Funktionen bekleiden und gar im Unabhängigkeitsprozeß eine wichtige Rolle spielen, so wäre dies unseres Erachtens ein schlechtes Zeichen für die Bereitschaft und Fähigkeit der Swapo zur unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit dem Geschehenen.

4. Die Folteropfer und ihre Angehörigen müssen rehabilitiert und angemessen entschädigt werden.

Dear friends and comrades, seit vielen Jahren begleiten wir solidarisch Euren Kampf gegen Südafrika und für die Unabhängigkeit Namibias. Stets haben wir dabei versucht, die alten Fehler kolonialen Denkens zu vermeiden: Nicht wir, sondern Ihr, die Menschen von Namibia, hattet über Ziel und Weg des Unabhängigkeitskampfes zu entscheiden. Wir waren und verstanden uns nicht als Eure „Schulmeister/innen“. Vielmehr haben wir in Übereinstimmung mit Euch ergänzend in unserem eigenen Land angesetzt: Unser Ziel war, dazu beizutragen, die Unterstützung, die Südafrika aus der BRD erhält, zu beenden oder mindestens zu erschweren. Unser Engagement für ein freies, demokratisches Namibia wollen wir - auch über das Datum der Unabhängigkeit hinaus - fortsetzen. In diesem Sinne bitten wir Euch, diesen Brief bis Ende August zu beantworten.

Mit solidarischen Grüßen

Im Auftrag der Grünen im Bundesta

Uschi Eid, Md

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen