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Alte Reisepässe für neue BRD-Bürger

■ Die Flüchtlingsbewegung aus der DDR über Ungarn in Richtung Österreich hält unvermindert an / Protest von seiten der DDR bei der Bundesregierung / Sudhoff hält sich zu Geheimgesprächen in Budapest auf

Bonn (ap/dpa) - Die Flüchtlingszahlen aus der DDR nehmen weiter zu: Nach Ausstellung von etwa 500 Reisepässen für ausreisewillige DDR-Bürger mußte die Bonner Botschaft in Budapest per Sonderkurier mit 1.000 weiteren Formularen versorgt werden. Die DDR zitierte vorgestern den Leiter der Ständigen Vertretung Bonns in Ostberlin, Bertele ins Außenministerium und protestierte gegen die „völkerrechtswidrige Bestätigung der BRD-Mission in Budapest“.

Heute will das Auswärtige Amt mit den Hilfsorganisationen Caritas, Diakonisches Werk, Deutsches Rotes Kreuz und Malteser-Hilfsdienst über die Koordinierung der Maßnahmen für die DDR-Bürger in Ungarn beraten. Mehrere Organisationen haben bereits Hilfssendungen geschickt. Seit der Schließung der Botschaft suchen immer mehr DDR-Bürger Zuflucht in der Vertretung der Bundesrepublik in Prag. Mittlerweile ist ihre Zahl auf 49 angestiegen. In den Ostvertretungen der Bundesrepublik warten inzwischen 337 DDR-Abtrünnige auf ihre Ausreisedokumente. Die Flüchtlinge erhalten alle noch den alten grünen Reisepaß, weil der fälschungssichere rote Europaß nicht vor Ort ausgestellt werden kann. Um mit dem Andrang einigermaßen fertig zu werden, arbeiten seit gestern zwei Beamte des Notaufnahmelagers Gießen in der Wiener Botschaft.

Die US-Botschaft in Ost-Berlin bleibt nach eigenen Angaben weiterhin für den Publikumsverkehr geöffnet. Botschafter Barkley widersprach Gerüchten, die zur Bewachung der Mission eingesetzten Soldaten hätten Befehl, „unwillkommene Gäste“ auf die Straße zu setzen. Die Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen Dorothee Wilms appellierte erneut an ausreisewillige DDR-Bürger, nicht weiter über diplomatische Vertretungen der Bundesrepublik den Weg in den Westen zu suchen. Manfred Stolpe, stellvertretender Vorsitzender des DDR-Kirchenbundes, warnte im ZDF vor einer Dramatisierung der Ausreisewelle. „Die Urlauber in Ungarn sind zum ganz großen Teil fest entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren.“ Dennoch sei das, was jetzt geschehe, eine „Problemanzeige“.

Die Bundesregierung bemühte sich unterdessen unter strengem Stillschweigen weiter um eine politische Lösung. Zu diesem Zweck führte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Jürgen Sudhoff am Mittwoch ein zweites Gespräch mit der ungarischen Regierung in Budapest. Die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und Ungarn über das Problem der DDR -Flüchtlinge seien in einem „äußerst sensiblen Stadium“, erklärte das ungarische Außenministerium gestern nach Sudhoffs Besuch. Auch ein Direktkontakt zwischen Kohl und Honecker wurde nicht mehr ausgeschlossen. Kohl, der am Montag einen Brief an Honecker geschrieben hatte, sagte, es könne nicht im Bonner Interesse sein, „daß eine Situation entsteht, die irreparabel“ sei.

Der SPD-Politiker Ehmke hat die Bundesregierung aufgefordert, die bisher nur intern geführten Gespräche zum offiziellen Thema zu machen. In der Deutschlandpolitik seien neue Ansätze und Diskussionen dringend notwendig. Dazu gehörten neue Angebote der Bundesrepublik, der DDR ökonomisch zu helfen und damit zu einer Perspektive für die Bürger beitragen. dabei müßten die Reformkräfte in der DDR mit einbezogen werden.

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