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Der Bulldozer kam zum Morgengebet

■ Südfranzösischer Bürgermeister ließ ohne Vorwarnung Moschee niederreißen - während des Morgengebets / Gestern brannten in Charvieu-Chavagneux das Rathaus und die Sporthalle / Mit Front-National-Methoden sollen Moslems aus dem Ort vertrieben werden

Paris (taz) - Mit Bulldozern zog der Bürgermeister von Charvieu-Chavagneux gegen den Islam zu Felde. Einen Tag später brannten in seiner Stadt das Rathaus und die Sporthalle.

Imam Mohamed Mezgueldi hatte gerade noch Zeit, den Koran beiseite zu legen, da fielen die ersten Mauersteine auf das Häuflein der Gläubigen, die sich am Mittwoch morgen in der Moschee von Charvieu-Chavagneux (Departement Isere) zum Morgengebet eingefunden hatten. Die Polizei war zur Stelle allerdings nur, um die Personalien der Gläubigen aufzunehmen, denn der Bagger kam nicht aus dem Hangar eines ausgeklinkten Frömmlers, sondern aus dem städtischen Fuhrpark - im Auftrag des Bürgermeisters höchstselbst.

Mit dem Abriß der Moschee von Charvieu-Chavagneux schien ein kommunalpolitischer Kreuzzug zu seinem schlechten Ende gebracht, den der neogaullistische Bürgermeister Gerard Dezempte seit Jahren gegen die islamische Gemeinde seiner 8.000-Seelen-Stadt führt. Doch es war nur ein Schritt zur Eskalation: Gestern morgen standen das Rathaus und die Sporthalle der Kleinstadt in der Nähe von Grenoble in Flammen.

„Sofortiger Tod für Dezempte“ stand auf der Rathauswand ein Name, der für die islamische Gemeinde von Charvieu zum Inbegriff abendländischer Überheblichkeit geworden ist. Begonnen haben Dezemptes rassistische Anstrengungen 1985. Da wird dem Islamischen Kulturzentrum vom Bürgermeister angekündigt, sein Gebetshaus solle im Rahmen der Stadterneuerung abgerissen werden.

Die knapp 900 Mitglieder zählende islamische Gemeinde protestiert, gibt jedoch schließlich nach, als ihr ein neues Terrain für ein Gebetshaus versprochen wird. Doch die Baugenehmigung wird zwei Jahre später „wegen Formfehlern“ abgelehnt. Seitdem ruht die Akte beim Verwaltungsgericht Grenoble, und die Gläubigen müssen weiterhin in ihre alte Moschee in einem alten Fabrikgebäude gehen - als Besetzer nunmehr.

Die Behörden haben es nicht eilig, diesen Zustand zu beenden - schon gar nicht Bürgermeister Dezempte, der sich damit rühmt, während seiner Amtszeit den Anteil der Muslims an der Bevölkerung von 36 auf 11 Prozent gedrückt zu haben. Er ist generell gegen eine Moschee im Ort, weil sie „die Ankunft zahlreicher Mohammedaner bewirken würde. Der Immobilienwert würde beim Bau der Moschee um 30 bis 60 Prozent sinken“ - so eines seiner Flugblätter im Kommunalwahlkampf 1988: Die Original-Rhetorik der Front National, deren Führer Le Pen in Charvieu auf 25 Prozent der Stimmen bauen kann. Dezempte wird mit Zweidrittelnmehrheit wiedergewählt. „Charvieu-Chavagneux wird kein Leuchtturm des Islam in der Region werden“, triumphierte er.

Daß bei dem Abriß ein Mann am Kopf verletzt wurde, stört den Stadtvater nicht. „Der Verletzte? Das ist nichts“, erklärte er und versuchte abzuwiegeln: Die Moschee sei aus Versehen niedergerissen worden. Eigentlich hätte nur ein ungenutzter Trakt in dem Fabrikgebäude dem Bagger zum Opfer fallen sollen.

Die Gemeinde ist ratlos. „Freitag werden wir vors Rathaus ziehen, um dort zu beten“, hatte Imam Mezgueldi am Mittwoch gesagt. Die jüngeren Maghrebiner und Türken hatten radikalere Schritte vorgezogen: „Wenn es jede Nacht brennen muß, damit wir gehört werden, dann wird es brennen.“ Es brannte.

smo

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