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Verbotene Zone: Bahnhof Zoo

■ Ob sich durch das Urteil des Landgerichts, nachdem die pauschal erteilten Hausverbote gegen Stadtstreicher unwirksam sind, etwas ändert, bleibt fraglich / Obdachlose in der City sind skeptisch / Vor allem im Winter Probleme mit der Polizei

„Hier erlaubt uns wenigstens der Bischof, dat wir hier sitzen!“ Jupp, der mit seinem Kumpel vor der Gedächtniskirche Dosenbier und Korn kreisen läßt, hat vom Bahnhof Zoo die Schnauze voll. „Wenn de da drin erwischt wirst, wirste gleich rausgeworfen“, so der Stadtstreicher mit wackliger Stimme. Hausverbot hat er im Bahnhof zwar noch nicht, aber, das liege auch nur daran, daß er sich, sobald die Bahnhofspolizei anrückt, davon macht. „Ich kenne Leute, die im Bahnhof bis zu fünfzig Mal Hausverbot bekommen haben“, meint Fritz, der vor zehn Monaten sein Zuhause am Bahnhof gefunden hatte. Seine Freunde bestätigen das. „Wem dat öfter passiert, kriegt eine Geldstrafe oder wandert hinterher ein paar Tage in den Bau“, erklärt Jupp, der wie seine Kumpel öfter draußen übernachten muß.

Ob es mit diesen rüden Methoden der Polizei erst einmal ein Ende hat, bleibt abzuwarten. Das Landgericht hat jedenfalls das Verfahren, mit dem die Bahnhofspolizei per Blankounterschrift der Reichsbahn-Verwaltung Hausverbote erteilte für unwirksam erklärt (siehe taz von gestern). Bislang war es gängige Praxis der Polizei, Hausverbote und Strafanträge wegen Hausfriedensbruch auf Blankoschreiben der Verwaltung für das ehemalige Reichsbahnvermögen auszustellen, obwohl die Polizei das Hausrecht hat. Diese Praxis wurde nun gerichtlich unterbunden. Eine pauschale Aburteilung der unerwünschten Trebegänger ist nicht mehr möglich.

Daß die von der Bahnhofspolizei erteilten Hausverbote als rechtswidrig erklärt wurden, hat Jobst in der 'BZ‘ gelesen. „Ob sich dadurch wat ändern wird, wage ick zu bezweifeln“, meint er skeptisch. Wahrscheinlich werde sich die Polizei jetzt was Neues ausdenken, um Obdachlose unkompliziert aus dem Bahnhof zu vertreiben. „Aber im Sommer sind die meisten, die auf der Rolle sind, sowieso draußen“, erläutert Fritz. Die wenigen, die sich dennoch im Bahnhof Zoo aufhielten, würden rigoros rausgeworfen. Seine Vermutung: „Die wollen den vielen Touristen nicht zeigen, daß es hier Stadtstreicher gibt.“ Probleme mit der Polizei gebe es aber vor allem im Winter, wenn der Bahnhof zum Aufwärmen gebraucht wird.

Der Schlaf unterm freien Himmel garantiert ebenfalls keine ungestörte Nachtruhe. „Hier, am Breitscheidplatz, gibt's zwar keen Hausverbot, dafür aber jede Menge Polizei“, so Jupp. Jeder, der sich auf eine der Bänke lege, müßte damit rechnen, „einfach runtergeschmissen zu werden“.

„Das hängt immer ganz davon ab, wer gerade Streife läuft“, erklärt Fritz. Es gebe auch Kontaktbeamte, die freundlich seien und versuchen würden, den oft betrunkenen Rollheimern zu helfen. „Andere dagegen sagen einfach nur 'Verpiß Dich!‘ und haben nur ihre Arbeit als Ordnungshüter vor Augen.“ Oft seien es auch die Angestellten von der Stadtreinigung, die ihnen das Leben auf der Parkbank versauern würden. „Die kommen mit ihren Wasserwagen vorbei und spritzen jeden naß, der da schläft“, beschwert sich Fritz. Daß Stadtstreicher oft hilflos seien und sich deshalb betrinken würden, sei der Polizei oder den Angestellten der BSR meistens unbekannt. „Da müßte viel mehr sozialer Dienst geschoben werden“, meint Fritz - der einzige unter seinen Kumpel, der noch einigermaßen nüchtern ist. „Mit Hausverboten oder anderen Schikanen kriegt die Polizei die Leute jedenfalls nicht von der Bildfläch.“

cb

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