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Prager Führung droht mit Härte

■ Charta-Sprecher Vaclav Havel warnt vor Entschlossenheit der Polizei / Polen verurteilt Invasion

Prag (dpa/ap/taz) - Schon im Vorfeld des 21. Jahrestages der Niederschlagung des Prager Frühlings“ durch Truppen der Warschauer Pakt-Staaten am 21. August 1968 hat die Führung der tschechoslowakischen KP unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie Aktionen unabhängiger und oppositioneller Gruppen mit aller Härte entgegentreten wird. Aus Prag wird gemeldet, daß schon gestern sämtliche Zufahrtsstraßen in die Stadt von Sicherheitskräften kontrolliert werden. Polizei und Miliz sind in Alrmbereitschaft versetzt worden.

In dem nach der „Normalisierung“ 1970 in politischen Tiefschlaf gefallenen Land regen sich seit geraumer Zeit verschiedene oppositionelle Kräfte.

In einer außerordentlich deutlichen Drohgebärde wandte sich die ansonsten auch nicht gerade zimperliche KPTsch an die Bevölkerung. In einem von der CSSR-Botschaft in Wien veröffentlichten kommunique heißt es, Anarchie und Gewalt würden eine angemessene politische und administrative Antwort, wenn nötig auch eine „Machtantwort“ erhalten. Mit dem Hinweis vermeintliche Ausschreitungen führten zu „ernsten Folgen für eine Reihe menschlicher Schicksale“ sollen mögliche Demonstranten abgeschreckt werden. Zahlreiche oppositionelle Gruppen haben für den Jahrestag zu „Spaziergängen“ und Schweigeminuten aufgefordert.

In einem warnenden Appell wandte sich der Sprecher der Charta 77, Vaclav Havel, an die tschechoslowakische Öffentlichkeit. Angesichts der Mobilisierung der Sicherheitskräfte und ihrer Entschlossenheit gewaltsam einzugreifen, seien Demonstrationen sinnlos.“ Uns sind sogar Gerüchte zu Ohren gekommen- und ich glaube fest, daß es nur Gerüchte sind-daß sie auf ihre eigenen Landsleute schießen würden, allein, um den Mitgliedern der Charta die Schuld dafür zuzuschieben“. Gestern teilte das Prager Innenministerium mit, zwei slowakische Regimekritiker seien wegen eines“ Aufrufes zur Rebellion und Subversion“ inhaftiert worden.

Nach Ungarn, das in den letzten Wochen mehreren federführenden Persönlichkeiten des Prager Frühlings die Möglichkeit eingeräumt hatte, in seinen Medien zu den Vorgängen 1968 zu berichten, hat jetzt auch das polnische Parlament eine Erklärung abgegeben, in der die Invasion der CSSR verurteilt wird.

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