: Solidarnosc regiert - KP pariert
■ Tadeusz Mazowiecki wird voraussichtlich Polens neuer Ministerpräsident / Staatspräsident Jaruzelski mit Vorschlägen der Solidarität einverstanden / Koalition von Solidarnosc, Bauernpartei und Demokraten unter Einschluß zweier kommunistischer Minister
Warschau (ap/dpa/taz) - Jetzt braucht Tadeusz Mazowiecki nur noch zu wollen, dann wird er der erste nichtkommunistische Regierungschef Polens nach dem 2. Weltkrieg. Der polnische Staatspräsident Wojciech Jaruzelski hat sich gestern entschieden, Mazowiecki von der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarität“ als Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt vorzuschlagen und mit ihm über über die Möglicheit einer Regierungsbildung in Polen gesprochen. Auf die Frage, ob der Präsident ihn mit dem Amt betrauen wolle, sagte Mazowiecki vor Journalisten: „Ich glaube, daß ich deswegen eingeladen wurde.“ Die Entscheidung werden in allernächster Zeit fallen. Er sehe die großen Schwierigkeiten, aber es gehe darum, „daß die Menschen spüren, daß es besser sein kann“. Jemand müsse es versuchen.
Nach seinem Gespräch mit Jaruzelski sprach der 62jährige enge Vertraute von Lech Walesa mit dem Fraktionsführer der Solidarnosc Bronislaw Geremek und anderen Mitgliedern des Fraktionsvorstandes. Er versicherte, seine Entscheidung hänge auch von ihnen ab.
Tadeusz Mazowiecki, der Chefredakteur des Wochenblattes „Tygodnik Solidarnosc“ ist, soll entsprechend einer am Donnerstag erzielten Vereinbarung eine Regierung aus Vertretern der Solidarität, der Vereinigten Bauernpartei und der Demokratischen Partei bilden. Das neue Bündnis hat mit zusammen 264 Abgeordneten die Mehrheit im 460 Mitglieder zählenden Sejm.
Vorgestern hatte Jaruzelski sich mit den Führern der neuen Koalition darauf geeinigt, daß an der neuen Regierung unter Führung der Solidarität alle im Parlament vertretenen Reformkräfte beteiligt sein sollen. Das bedeutet, daß die Kommunisten nicht völlig ausgeschlossen sind und Parteimitglieder auch andere Posten als das Innen- und das Verteidigungsministerium besetzen können. Diese beiden Ressorts sind der Partei vorbehalten und werden vom Staatspräsident direkt besetzt. Dabei muß das Parlament aber noch zustimmen.
In der kommunistischen Partei hat das Auseinanderfallen der bisherigen Regierungskoalition und der Verlust ihrer führenden Rolle in der Regierung für erhebliche Aufregung gesorgt. Am Samstag tritt das Zentralkomitee zu einer Sondersitzung zusammen.
Nach heftigen Debatten hatte sich die kommunistische Fraktion am Donnerstag abend für eine „überparteiliche Regierung ausgesprochen, in der die Minister nicht „ihre Parteien vertreten“, sondern ausschließlich dem Parlament verantworlich sind.
bam Portrait von Mazowiecki Seite 6
Kommentar Seite 8
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen