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DIE WUCHT DES ANFANGS

■ Meisterschülerinnen der HdK beim Verein Berliner Künstler

Beate Grandke, Galerieleiterin, erklärt wie der Vorstand zwei ältere Herren - sich stark gemacht hätte, endlich junges Blut in den 150 Jahre alten Verein zu bekommen: Hochschulabsolventinnen sollen es sein. Frauen!

Welche Kriterien gelten bei der Beurteilung von Arbeiten unmittelbar nach Abschluß einer Kunsthochschule?

Heather Betts, Claudette Griffiths-Vesting, Tatjana Schülke, drei Künstlerinnen der HdK Berlin, stellen in der Galerie Verein Berliner Künstler ihre Bilder und Objekte aus (es existiert auch ein Verein Berliner Künstlerinnen).

Fragen steigen in den Kopf: Realismus, figürliches Malen, abstrakte Farbentwicklung, Wucht des Audrucks, gefundene Holzsplitter, Späne, Recyclingkunst? Wie deutlich ist der Einfluß des Professors äußerlich sichtbar in den Bildern? Herr Fußmann ist immer zu erkennen, Herr Marwan auch? Na sicher, aber was heißt das schon? Wenig! Können sich die Absolventen ernähren? Hoffen sie es für später, wann beginnt später? Ist der Teilzeitjob schon so gewählt, daß noch Zeit, Muße, Energie zum Suchen, Materialbeschaffen und Arbeiten bleibt? Die meisten jobben ja sowieso schon während des Studiums. Wie groß ist die Hoffnung, sich von der eigenen Kunst zu ernähren? Dies alles sei allein eine Frage von Durchsetzungskraft, Fleiß, Ausdauer und guten Kontakten, lautet das Klischee. Haben weibliche Künstler dieselbe Struktur? Haben sie eine Anleitung bekommen, wie Galerien arbeiten? Widerspricht die Suche nach dem eigenen Stil nicht dem Sich-verkaufen und Verhandlungen-führen-Müssen? Wie wichtig ist das MedienImage; welches Image ist denn der Künstlerin in den Medien erlaubt Ende der 80er, Anfang der 90er, dem letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts? Hat Personalschau nach außen einen größeren Erfolg als Suche, Handwerk und Weiterentwicklung nach innen - unöffentlich sozusagen?

Beim Verlassen der Ausstellung fragt mich meine Freundin: Meinst du, anders urteilen zu können, wenn du sie kenntest? Meine Antwort: Bei scharfen Stellungnahmen bietet sich beides an. Aber besser ist es, vorher keinen Kontakt aufzunehmen, sich erst später zu treffen, wenn's produktiv, ja konstruktiv werden könnte. Ich habe ganz wunderschöne Erfahrungen nach Verrissen von ErstAusstellungen gemacht; nach Jahren allerdings.

Zurück zu den Fragen. Kann die Handschrift des „Meisters“ schnell abgeworfen werden, wo die Ähnlichkeiten - sicher notwendig als Lernschritt - so offen zutage liegen? Nach Jahren erst wird die immer wiederkehrende Kraft der Suche sichtbar. Aber ahnungsweise schon jetzt muß durchschimmern: Wucht oder Wut, Kern, Wurzel, Leidenschaft, Grundriß oder Firmament, Gräber, Parks und Etüden, Lebensfreude oder Todessucht, Maßlosigkeit im Spießertum! Dummerweise sind schon Hakenkreuz-Männeken neben eine Arbeit gestempelt; ein Käfer mit Senderfühlern und Piep Piep daneben geschrieben. Was die so heutzutage für entartete Kunst halten! Uninformiert; stehengeblieben; Kultur: 6. Aber zusammenschrecken lassen die Zeilen doch.

Behutsamkeit - im Moment ganz unmodern zwischen den Damen dieser Stadt - fordere ich gegenüber den Jüngeren. Aber wahrscheinlich möchte niemand behutsam beurteilt werden; nur, anders geht es nicht. Der Besuch in der Galerie hat mich neugierig gemacht. Erst nach Jahren werden die Suche, die Formgebung, eigene Handschrift und Intensität - befreit vom „Meister“ - sichtbar sein. Viel Erfolg auf den Weg geben möchte ich, ohne gönnerhaft zu erscheinen. Auch Verletzbarkeit stellt eine Empfindsamkeit, eine Qualität dar. Wie das Wünschen.

Na, bloß nicht die Wucht des Anfangs schmälern.

Eine der drei Künstlerinnen ist in Australien, eine kommt aus Jamaika. Und die Deutsche, nach viel Hinterhertelefoniererei, ruft spät, lange nach Dienstschluß an. Auf meine Frage nach Geld erwähnt sie einen Kreuzberger KinderMaljob. Atelier vorhanden, geteilt mit einem Freund. Auf hartnäckige Fragen bekomme ich zögernde Antworten. Nein, nein, wenn es eine Professorin gegeben hätte - Elvira Bach ist berufen worden - wär‘ sie nicht unbedingt zu ihr gegangen. Das käme doch auf die Art an, wie sie sei (läuft da die Beurteilung auch über ein Image?). Auf feministische Bereicherung während des Studiums könnte sie verzichten, das sei nie ihr Problem gewesen. Sie sei zuerst bei Fußmann gewesen, der hätte immer Kunstmarktstories erzählt. Nein, nein, einen Gebrauchswert hätten diese Geschichten für sie nie gehabt. Aber gut wär es ihr dann bei Professor Marwan ergangen. Der sei sehr vorsichtig mit ihr umgegangen, hätte wenig reingeredet. Die vier bis fünf Personen im Atelier hätte er duch seine stille Autorität zu guter, konzentrierter Arbeit bekommen. Die Arbeitsatmosphäre sei sehr gut gewesen. Das Abschlußgespräch sei darauf hinausgelaufen, wie wichtig es jetzt sei, daß sie jetzt ihren eigenen Weg fände. Mein Einwand, ob er dies nicht vielleicht während des Studiums hätte fördern müssen, stieß auf erneutes Zögern.

Das einzige, was wirklich schade gewesen wäre, kommt dann verhalten aus dem Telefonhörer, nachts um 23 Uhr 20: in der Hochschule finden keine wirklichen Gespräche statt, auch nicht zwischen den Studenten. Alle würden vorsichtig miteinander umgehen, anstatt sich wirklich gegenseitig zu fordern. Noch einmal nach ihrem Arbeitsplatz gefragt, sagt sie, so fest sei er nicht. Sie ginge im Herbst nach Barcelona, das sei ihr nächster Schritt. Spanisch lerne sie gerade, eine Wohnung oder einen Job habe sie noch nicht. Kennen? Nein, kennen tut sie da niemand. Vor Bildbeschreibungen möchte ich mich hüten, nicht weil sie nicht sehenswert wären; aber neugierig machen und hinfahren ist besser als Momentangeschmackliches schreiben. Die Beurteilung von Farbkombinationen, Material (ReißWellPapier), Übermalung ist Stimmungen unterworfen, die jedem frei zu empfinden anstehen. Unmittelbare Unterschiede zu beobachten ist wunderschön, und Kunstrichtungen sind nicht mit Kriterien zu verwechseln. Leider ist die Galerie bei beiden Malen leer. Im Hochsommer, bei bestem Badewetter, Mitte August, Mitte des Tages kein Wunder. Aber am Wochenende soll sie reich besucht worden sein.

Ich wünsche viel Wucht, Kraft und gute Geister zum Start in die freie Wirtschaft. Nur schade, daß die Hochschule so wenig für eine fundierte Ausbildung tut. Oder soll jeder Absolvent jedes Mal wieder bei Null, Frauen oft bei minus 20, beginnen, wenn es um Markt, Ausstellungs- und Galeriewesen, um Sponsoren und Stipendien geht. Ich habe den Eindruck, als würden die Studenten (weiblich, männlich) während ihrer Hochschulzeit so lange mit verbundenen Augen im Kreis gedreht, bis sie die Richtung verloren haben. Und dann werden sie ausgestoßen in eine Welt mit dem Motto: Was mich nicht umbringt, macht mich stark.

Annette Eckert

Meisterschülerinnen 1989 der Hochschule der Künste Berlin. Galerie Verein Berlin Künstler, Schöneberger Ufer 57. Di-So 14-19 Uhr. Bis 31.8.

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