Gorbis Ramstein

■ Perestroika sei Dank - Moskau hatte seine erste Flugschau

Die Fernsehmänner aus Deutschland-Ost und -West waren gleichermaßen begeistert: Wie das donnerte und krachte! Waghalsig immer knapp am Zusammenstoß vorbei, den Beinaheabsturz am laufenden Band geprobt. Einfach herr -lich! Moskau erlebte am Wochenende die erste öffentliche Militärflugschau, und Hunderttausend kamen zur Premiere. Starrten mit offenen Mündern gebannt gen Himmel, wo sowjetische Luftakrobaten so wunderbar kühn russisches Roulette spielten. Mit Perestroika-Transparenten donnerten die Maschinen über die Sowjetbürger, die nun nicht mehr auf das Vergnügen verzichten müssen, das den Menschen im freien Westen offenbar seit Jahren ein Grundbedürfnis ist wie Marlboro und Tempo 180.

„Ein Beweis für die Leistungskraft der sowjetischen Luftfahrtindustrie“, jubelte der DDR-Fernsehmann, und das ZDF auf seine Weise: Beweis für die Öffnung des sowjetischen Militärapparats, nie zuvor dagewesen, weiteres Dokument für gewaltige gesellschaftliche Veränderungen. Bravo, Michail Gorbatschow!

Daß diese Art tödlicher Lebensqualität in der Bundesrepublik zunehmend in Verruf gerät - wen stört's angesichts dieser geballten Ladung Glasnost am Himmel. Wo Sowjetbürger jahrzehntelang auf so vieles verzichten mußten, bleibt ihnen nun nichts erspart. Nur warum muß immer B sagen, wer einmal A gesagt hat? Wo liegt der Automatismus, daß ein Ja zu mehr Lebensqualität gleich ein Ja zu Ramstein heißt? Daß die Sowjetunion bei ihrem Wettrennen um technischen Fortschritt die westlichen Industrieländern in Sachen Katastrophen sogar noch übertrifft, ist seit Tschernobyl eindrücklich bewiesen. Wenn jetzt die erste Flugschau nicht zugleich die letzte ist, werden sich die sowjetischen Technologiefanatiker auch auf diesem Terrain bald mit den westeuropäischen Staaten messen können. Eine eindrucksvolle Kostprobe haben sowjetische Piloten erst in diesem Frühjahr geliefert, als sich bei einer Pariser Flugschau eine MiG mit hundert Sachen in den Boden bohrte.

Vera Gaserow