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„Es wird wieder Folterungen geben“

Eine grüne Delegation besuchte die Türkei / Interview mit Jutta-Österle Schwerin  ■ I N T E R V I E W

taz: Wie beurteilen Sie das Ende des Hungerstreiks?

Jutta Österle-Schwerin: Wir sind sehr froh darüber, daß der Hungerstreik in Aydin zu Ende ist, ohne noch mehr Opfer zu fordern. Andererseits haben wir die Angst, daß, sobald das internationale Interesse nachläßt, vielleicht sogar noch schlimmere Repressalien zu erwarten sind.

Wie begründen Sie diese Befürchtung?

In Aydin war niemand bereit, mit uns zu reden, alle Türen blieben verschlossen. Wer sich so abschottet, hat etwas zu verbergen und keine guten Absichten. Solange in der Türkei noch 5.000 Menschen in Gesinnungshaft sitzen, ist noch Schlimmes zu befürchten. Deshalb heißt unsere Forderung: Generalamnestie für alle politischen Gefangenen.

Sie hatten dann die Absicht, in den kurdischen Gebieten, genauer in Diyarbakir und Mardin, die Flüchtlingslager, wo die irakischen Kurden untergebracht sind, zu besuchen.

Auch in Mardin hat man uns nicht ins Lager eingelassen. Wir wurden an den Gouverneur verwiesen. Aber selbst was er uns erzählt hat, war gräßlich. Ich denke, daß die Realität noch schlimmer aussieht. Es leben im Lager Mardin 15.000 Menschen, für die man nur 288 Toiletten bereitgestellt hat. Diese sind größtenteils verstopft. Sechs Personen schlafen in einem Zelt, nirgendwo gibt es Schatten, keine Bäume, die Menschen sind auf weiter Fläche der Hitze ausgeliefert. Es gibt kein gekühltes Wasser, alle zwei Wochen werden die Lagerinsassen mit Trockennahrung versorgt, niemand darf das Lager verlassen.

Wie ist die hygienische Versorgung?

Unsere Freunde erzählten, daß viele Frauen schwanger sind. Man sieht aber keine Kinder - die Säuglingssterblichkeit scheint sehr hoch zu sein. Auch das bestreitet der Gouverneur. In Diyarbakir wurden wir von der Polizei sowohl daran gehindert, das Lager zu betreten, als auch, es von außen zu fotografieren.

In den westlichen Medien wird der Eindruck verbreitet, daß der Demokratisierungsprozeß in der Türkei Fortschritte macht. Wie ist Ihre Bilanz nach der Reise?

Die Menschen, die wir auf der Reise getroffen haben, hatten Angst, mit uns zu sprechen, sie haben Angst vor der Polizei. Der Justizminister sagt, daß es in Zukunft keine Dunkelhaft und keine Ankettung mehr geben wird, und gibt damit indirekt zu, daß eben diese bisher gang und gäbe waren. Sobald das öffentliche Interesse erlischt, wird es wieder Folterungen geben. Wir wissen jetzt, was es bedeutet, wenn jemand bei uns kein Asyl erhält und in die Türkei abgeschoben wird.

Das Interview führte Ömer Erzeren

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