: Unbequeme Referentin bestraft
■ Weil sie gegen das baden-württembergische Sozialministerium klagt, bekommt die ehemalige Pro-Familia-Vorsitzende Melitta Walter keinen Honorarvertrag / Behörde streicht Gelder
Berlin (taz)-Wenn es im Ländle eine wagt, gegen die Regierenden einen Rechtsstreit anzufangen, muß sie sich auf einen Nervenkrieg gefaßt machen. Melitta Walter, ehemalige Vorsitzende von Pro Familia und anerkannte Expertin in Fragen von Sexualität und Aids, hatte gegen das Sozialministerium wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht geklagt - nun darf sie nicht mehr als Referentin auftreten, wenn das Sozialministerium den Träger der Veranstaltung finanziert. Die pannenreiche Kampagne der Stuttgarter Sozialministerin Barbara Schäfer gegen die Abtreibung ist damit um einen Skandal reicher.
Die Peinlichkeiten begannen, als sich herausstellte, daß das Sozialministerium in seiner Broschüre „Ungewollt Vater“, die in einer Auflage von 120.000 verteilt wurde, zum Teil wörtlich aus einem Buch abgeschrieben hatte, das Melitta Walter und ihr Ehemann Wolfgang Friederich verfaßt hatten. „Äußerst unangenehm“ war dem Sozialministerium dieser Lapsus - und man verwies flugs an die Münchener Werbeagentur, die die Broschüre gemacht hatte. Als das Autorenpaar vom Sozialministerium forderte, die Verletzung des Urheberrechts einzugestehen, stellte man sich stur. Deshalb reichten Walter und Friederich - „es geht um die Ehre unserer Arbeit“ - Klage bei Gericht ein.
„Es wäre doch schizophren, Frau Walter, die ohne sachliche Notwendigkeit einen Rechtsstreit gegen uns führt, in Seminaren zu beschäftigen, die von uns gefördert werden“, begründet das Sozialministerium die harte Linie. Von der „Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung“ war Melitta Walter als Referentin zum Thema Aids nach einer festen Zusage wieder ausgeladen worden. Das Sozialministerium hatte interveniert: Eine Veranstaltung, an der Melitta Walter teilnehme, werde nicht finanziert. Für Melitta Walter, die als freischaffende Publizistin und Referentin den größten Teil des Lebensunterhalts ihrer Familie verdient, eine bedrohliche Situation.
Davon will man jedoch im Sozialministerium nichts wissen. Man habe nur diesen einen Auftrag für Melitta Walter gestoppt, es sei eine „maßlose Übertreibung“, von einem Arbeitsverbot zu sprechen. Ein einzelner Abteilungsleiter, so ließ Pressesprecher Jaschik durchblicken, habe diese Entscheidung allein gefällt. Die Ministerin selbst wurde erst im nachhinein informiert.
GS
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