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Kampagne gegen Paragraph 218 in NRW

Landesregierung ändert Förderrichtlinien für Beratungsstellen: Abschied vom Konzept der Beratung und Indikation unter einem Dach  ■  Von Bettina Markmeyer

Düsseldorf (taz) - Das Land Nordrhein-Westfalen rückt in der Handhabung des Paragraphen 218 von seiner bisherigen Konzeption der Beratung und Indikation unter einem Dach ab. In Zukunft sollen neben den Einrichtungen von Pro Familia auch solche Beratungsstellen vom Land bezuschußt werden, die entweder gar nicht oder nur mit ÄrztInnen von außerhalb zusammenarbeiten. Das bedeutet eine Trennung von Beratung und Indikation und für die Frauen längere Wege. Eine entsprechende Änderung der Förderrichtlinien ist vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales erarbeitet worden und wird vermutlich zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft gesetzt. Danach könnten auch Beratungsstellen z.B. kirchlicher Träger Landesmittel bekommen, die es ablehnen, der Schwangeren dabei zu helfen, eine ärztliche Indikation zu bekommen.

Das jedenfalls befürchten nordrhein-westfälische Feministinnen und Frauenverbände, die in dieser Woche eine neue Kampagne gegen den Paragraphen 218 starten: „Zum Teufel mit der Hexenjagd.“ Nach Memmingen und der Selbstbezichtigungsaktion im 'Stern‘ verschärfe sich der Druck auf Frauen und ÄrztInnen weiter, sagte die WDR -Redakteurin Inge von Bönninghausen am Mittwoch in Düsseldorf. „Die zunehmend restriktivere Anwendung des geltenden Rechtes“ mache sich längst auch in NRW bemerkbar und „zwingt zum Gegendruck“. Mit einer landesweiten Unterschriftenaktion wollen die Initiatorinnen die Landesregierung auffordern, auch weiterhin nur solche §218 -Beratungsstellen zu fördern, die „den betroffenen Frauen qualifizierte Entscheidungshilfen geben können“ und Beratung, Indikationsstellung sowie medizinische Leistungen unter einem Dach sicherstellen. Weiter fordern die Kampagne -Frauen Familienplanungszentren nach Bremer Vorbild, in denen auch Abtreibungen gemacht werden, sowie bessere sexualpädagogische Angebote. Außerdem wollen sie die Abschaffung des Paragraphen 218.

Ein Sprecher des Ministeriums begründete die Änderung der Förderrichtlinien mit dem sogenannten Abrechnungsskandal, der im Frühjahr 1988 Schlagzeilen gemacht hatte. Prüfungen des Landesrechnungshofes hatten ergeben, daß einige Beratungsstellen ihre Leistungen doppelt abgerechnet hatten: als Beratungen nach dem Paragraphen 218 und nach den Richtlinien für Eheberatungs- und Lebenshilfeeinrichtungen. Um das zu verhindern, bekämen in Zukunft §218 -Beratungsstellen und Lebenshilfeeinrichtungen von nur einer Behörde nach einer gemeinsamen Richtlinie Geld.

Daß als Folge dieser Neuordnung in NRW künftig auch Beratungseinrichtungen unterstützt werden, die Beratung und Indikation nicht unter einem Dach anbieten oder sogar ablehnen, kritisierte dagegen Cornelia Prüfer, Sprecherin der nordrhein-westfälischen Gleichstellungsbeauftragten. In der Diskussion um die neuen Förderrichtlinien habe sich das Land „den Beschwerden der Kirchen“ gebeugt

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