: Deserteursdenkmal vor Gericht
Bonner Polizei verbietet Aufstellung von Marmorskulptur am 1.September / Miniatur des Denkmals wird dagegen bei der Gedenkstätte des KZ Majdanek in Polen zu sehen sein / Brecht muß in Bitburg schweigen ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Im Vorfeld des 1.September müssen pazifistische Gruppen vor Gericht ziehen, um Genehmigungen für ihre Aktionen zu erstreiten.
Fall Nummer eins: das Denkmal für den unbekannten Deserteur in Bonn. Bekanntlich verwehrt die Stadt der Marmorskulptur jeglichen öffentlichen Aufstellungsplatz. Nun verweigern Polizeipräsident und Behörden sogar eine Genehmigung, das Denkmal im Rahmen einer Friedenskundgebung am 1.September befristet der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei sicherten die Veranstalter zu, die zehn Tonnen Marmor anschließend wieder zu entfernen. Das Bonner Friedensplenum und der Bildhauer Mehmet Akzoy haben nun das Verwaltungsgericht Köln angerufen; die juristische Auseinandersetzung wird vermutlich bis zum Morgen des 1.September andauern. Vertreter des Friedensplenums sagten gestern auf einer Pressekonferenz: „Wir gehen davon aus, daß eine legale Möglichkeit gefunden wird, das Denkmal zumindest während der Kundgebung zu enthüllen.“ Ansonsten: „Die Friedensbewegung ist immer sehr phantasievoll gewesen.“
Was in Bonn nicht gezeigt werden darf, wird in Polen zu sehen sein: Eine Marmor-Miniatur des Deserteursdenkmals nimmt eine Grünendelegation zum 1.September mit, um sie bei der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Majdanek zu übergeben.
Fall Nummer zwei: In Bitburg geht das Tauziehen um die Welturaufführung des Brecht-Gedichts Legende vom toten Soldaten weiter. Die Eifelstadt hat der Schauspielerin Hanne Hiob nur erlaubt, das Gedicht auf dem SS-Friedhof alleine und „einmalig“ aufzusagen, die szenische Darstellung und die symbolische Ausgrabung eines Soldaten soll hingegen auf dem abgezirkelten Teil einer Wiese außerhalb des Friedhofs stattfinden. Im Hinblick darauf, daß über die Aktion ein Film gedreht wird, bemerkte der Regisseur der Aufführung dazu gestern: „Die Stadt legt es darauf an, daß man partout nicht merkt, daß die Wiese in Bitburg ist.“ Im Eilverfahren wollen die Veranstalter nun noch einmal das Bundesverfassungsgericht anrufen, wie bereits 1985, das aber in der Sache nie entschied.
Die Anmelder der Brecht-Aufführung, darunter Ralph Giordano und Volker Schlöndorff, schreiben über die Bitburger Stadtväter: „Durch deutsche Gründlichkeit und akribischen Beamtenfleiß gelang ihnen eine Werkbearbeitung von Weltliteratur, die nicht deutscher, nicht nationaler sein könnte.“ Bei dieser Bearbeitung wirken auch die Bonner Beamten mit: Sie verwehren wiederum die symbolische Bestattung des Legenden-Soldaten auf einem städtischen Grünstreifen. Noch mehr Arbeit für die Gerichte.
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