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Kohl im KZ - ahnungslos

■ Der Kanzler unternahm Ferienausflug in einstiges Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen, die Brauerei Zipf / Mörderische Häftlingsschicksale waren kein Thema

(taz) - „Kohl besucht Brauerei Zipf“ - eine Zeitungsnotiz in der Lokalausgabe der 'Oberösterreichischen Rundschau‘ informierte am 17. August über des Bundeskanzlers Urlaubsabstecher vom Wolfgangsee. Was die Zeitungsnotiz jedoch nicht erwähnt - und der Bundeskanzler hat es vor Ort mangels Kenntnis wohl ebenfalls nicht getan - ist die Tatsache, daß in Zipf von 1943 bis 1945 ein Nebenlager des KZ Mauthausen stand. Im von den Nazis beschlagnahmten Lagerkeller der Brauerei sollte seinerzeit ein V2 -Rüstungswerk aufgebaut werden; bis zum Frühjahr 1944 mußten die KZ-Häftlinge unter mörderischen Bedingungen neue Stollen, Bunkeranlagen und eine Teststation für die V2 -Raketen-Triebwerke aufbauen - die Operation lief unter dem Decknamen „Schlier“. 256 Häftlinge starben dort. Die Brauerei, die damals ihren Betrieb nicht einstellte, verdiente an den billigen Arbeitskräften - wie andere Unternehmen zu jener Zeit auch.

Brau-AG-Generaldirektor Beurle, der den Gast aus der Bundesrepublik übers Gelände und wohl auch durch die Stollen führte, hatte 1984/85 höchstpersönlich dafür gesorgt, daß ein Mahnmal zur Erinnerung an die überwiegend französischen Häftlinge nicht auf dem Brauerei-Gelände errichtet wurde, sondern circa 150 Meter weiter weg. Was ihn nicht daran hinderte, bei der Einweihung des Gedenksteins am 4. Mai 1985 salbungsvolle Politikerworte zum besten zu geben. Kein Kranz vom Kanzler ist dort jetzt zu finden.

Auch Bürgermeister Hollerweger, der Kohl im Anschluß an den Brauereibesuch „fachkundig“ durch das Freilichtmuseum führte, hatte dem Franzosen Paul Le Caer, einem der wenigen Überlebenden, bei dessen Bemühen um ein Denkmal jeden nur denkbaren Stein in den Weg gelegt. Er hatte sich seinerzeit sogar lange geweigert, Anfragen von Angehörigen ehemaliger Häftlinge überhaupt zu beantworten.

Aber der Fall Zipf ist mehr als eine österreichische Lokalposse. Die Wiener Filmemacher Wilma Kiener und Dieter Matzka hatten einen Dokumentarfilm - Deckname Schlier über das KZ und die Prüfstation gedreht, auch ihre Recherchen waren zunächst behindert worden. Die Angst der Brauer und Lokalpolitiker: Erinnerungen an die Geschichte des Orts könnten der Biermarke schaden. Nach Fertigstellung des Films - er war 1986 im Bayerischen Fernsehen zu sehen boten die Regisseure ihn der Bundeszentrale für politische Bildung an. Die jedoch lehnte ab, Begründung: Man habe genug Filme über die NS-Zeit. Offenbar nicht - Kohls Urlaubsberater hätten ihm andernfalls mit Sicherheit nahegelegt, auf einen Besuch in Zipf doch lieber zu verzichten.

chp

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