Kokainmafia wehrt sich mit Bomben

■ Weitere Festnahmen in Kolumbien / Militärhilfe aus den USA / 550 Richter kündigen ihren Rücktritt an

Bogota (afp/ap/taz) - Regierung und Kokainmafia sind sich einig: In Kolumbien herrscht Krieg. „Wir erklären der Regierung und der politischen und industriellen Oligarchie den totalen Krieg“, heißt es in einer Mitteilung der „Extraditables“, der „Auslieferbaren“. Und es besteht kein Zweifel, daß die Drogenbarone es ernst meinen: In der Kokainmetropole Medellin ließen sie zwei Parteizentralen in die Luft sprengen, drei Landhäuser von Politikern und Großindustriellen gingen in Flammen auf, und in den Gebäuden der Rundfunksender RCN und Caracol konnten zwei Bomben gerade noch rechtzeitig entschärft werden. Für jeden, der als Drogenhändler an die USA ausgeliefert werde, würden zehn Richter sterben, kündigten die „Extraditables“ an. Präsident Virgilio Barco seinerseits sprach von einem „Kreuzzug“, der noch mehr „Blut, Schmerz und Leiden“ hinterlassen werde. Daran zweifelt in Kolumbien niemand mehr.

Die Regierung setzte am Wochenende ihre Großrazzien fort. Nachdem sie in der vergangenen Woche über zehntausend Personen festnahm und Hunderte von Autos, 106 Flugzeuge, 16 Hubschrauber, ganze Rinderherden und 921 Immobilien von Drogenbossen sowie insgesamt sechs Tonnen Kokapaste beschlagnahmte, gelang ihr am Samstag ein weiterer Coup. Mit 500 Soldaten und sechs Panzern stürmte das Militär einen zur Festung ausgebauten Landsitz von Gonzalo Rodriguez Gacha, der als Vizechef des „Kartells von Medellin“ gilt, und erbeutete ganze Säcke voller Geheimunterlagen über die Geschäfte der Mafia. Die beschlagnahmten Dokumente enthalten die Buchführung sowie die Namen von Anwälten und anderen Personen, die für das Kartell tätig waren. Fortsetzung auf Seite 6

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Auf dem Landgut wurden Freddy Rodriguez, ein Sohn des Drogenbarons, sowie zwei Neffen und sieben Leibwächter des Kokainbosses nach einer viertelstündigen Schießerei festgenommen. Den Finanzchef des Familienclans, Luis Fernando Galeano Berrio alias „El Negro“, faßte die Polizei in Medellin. Am Freitag hatte die Polizei eine andere Residenz des Drogenkartells beschlagnahmt. In einem Schloß, einer Kopie einer mittelalterlichen Burg im Wert von 12 Mio. Dollar wurden Vollblutpferde, acht gepanzerte Limousinen und eine Kommunikationszentrale gefunden.

Ein weiterer Schlag gegen die kolumbianische Drogenmafia gelang den US-Behörden in Long Island bei New York. Dort faßte die Polizei am Samstag ein Paar, das in den vergangenen sieben Jahren etwa 350 Mio. Kokaindollars gewaschen haben soll. In der Wohnung des 28jährigen Kolumbianers und seiner venezola

nischen Ehefrau wurden vier Mio. Dollar in sichergestellt. Die Fahnder waren dem Ehepaar auf die Spur gekommen, als auf dem New Yorker Flughafen La Guardia ein von den beiden angeheuerter Geldbote gestellt wurde, der mit 250.000 Dollar im Gepäck abfliegen wollte. Das Geldwäscherpaar soll jeden Monat im Schnitt 16 Geldboten außer Landes geschickt haben.

Der israelische Reserveoffizier Jair Klein, dem US-Medien vorwarfen, in Kolumbien Killerkommandos ausgebildet zu haben, gab inzwischen in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen bekannt, er habe im Auftrag von Viehzüchtern unter Mitwissen der kolumbianischen Regierung Milizen zur Bekämpfung der Guerilla ausgebildet. Diese hätten - zumindest vor anderthalb Jahren, als das Video entstand, das die US-Medien als Beweisstück ausstrahlten mit der Drogenmafia nichts zu tun gehabt.

Die USA haben Kolumbien im Kampf gegen die Drogenkartelle eine Soforthilfe in Höhe von 65 Mio. Dollar zugesagt. Wie der Sprecher

des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, mitteilte, sollen 25 Hubschrauber, Militärfahrzeuge und Funkausrüstungen geliefert werden. Die Gelder stammen aus einem 75 Mio. Dollar umfassenden Sonderfonds, über den das Verteidigungsministerium zur Vergabe von Rüstungshilfe für befreundete Staaten in Krisensituationen verfügt. Für die Ausbildung von Leibwächtern und den Kauf gepanzerter Autos zum Schutz kolumbianischer Richter hatte der US-Kongreß bereits zuvor fünf Mio. Dollar bewilligt.

Nach der Drohung der Drogenmafia, für jeden an die USA ausgelieferten Rauschgiftschmuggler zehn Richter umzubringen, kündigten in Bogota bereits 550 Richter ihren Rücktritt an, weil sie von der Regierung nicht genügend geschützt würden. In Bogota gehen bereits Gerüchte über einen Rücktritt der Justizministerin Monica de Grieff um. In einem Fernsehinterview hatte sie am Freitag gesagt: „Ich war nicht darauf gefaßt, in einer Zeit des Krieges amtieren zu müssen.“

C.K./thos