: Zeugnis eines Geheimdienstlers
Wie Kolumbiens Geheimdienste foltern und morden ■ D O K U M E N T A T I O N
Der Autor dieses Briefes vom 1.August an den Generalstaatsanwalt (in Auszügen), ein ausgestiegener Polizist und Geheimdienstagent, beschreibt mit Namen und Daten, wie die Armee unliebsame Kolumbianer umbringt. Er ist untergetaucht, nachdem er das Schreiben bei einem Notar beglaubigen ließ.
(...) 2. Während dieser Jahre der Arbeit in den staatlichen Geheimdiensten habe ich mich nach und nach davon überzeugt, daß die dort angewandten Methoden gegen die Gesetze der Republik verstoßen und daß in diesen Organen regelrechte Verbrechen verübt werden, die in mir einen immer weniger erträglichen Gewissenskonflikt erzeugt haben.
2.1 Als aktiver Teilnehmer an den geheimdienstlichen Aufgaben während der Vorgänge im Justizpalast am 6. und 7.November 1985 (Besetzung durch die Guerilla M19 und brutale Erstürmung, d.Red) bezeuge ich folgendes: (...)
b) Herr Carlos Augusto Rodriguez Vera, der Geschäftsführer der Cafeteria des Justizpalastes, kam aus dem Palast völlig unverletzt heraus und wurde zum Casa del Florero gebracht. Von dort wurde er in die Kavallerieschule überstellt, auf Befehl von Oberst Plazas Vega, der die folgenden Anweisungen gab: „Nehmt ihn mit, bearbeitet ihn, und alle zwei Stunden gebt ihr mir Bericht.“
Oberst Plazas ging von der Hypothese aus, daß in der Cafeteria des Palastes vor der Besetzung Waffen versteckt worden waren, und befahl daher, Herrn Rodriguez „als Komplizen“ zu foltern.
Herr Rodriguez Vera wurde vier Tage lang gefoltert, ohne daß ihm irgend etwas zu trinken oder zu essen gegeben worden wäre. Er wurde mehrfach an den Daumen aufgehängt, und, so hängend, brutal in die Hoden geschlagen.
Herr Rodriguez starb während der Folterungen. Seine Leiche wurde unter Geheimhaltung vergraben, wahrscheinlich in „los polvorines“, nahe dem Schießplatz auf dem Gelände der Kavallerieschule.
(...) 2.2. Herr Samuel Aguilar, Polizeiinspektor der Ortschaft Los Maracos, Gemeindebezirk Granada (Meta), wurde aufgrund seiner Mitgliedschaft in der UP (Union Patriotica, legale Linkspartei, d.Red.) verfolgt und schließlich ermordet.
Einige Tage vor dem Attentat am 25.Juli 1988 wurde Herr Aguilar bereits Opfer eines Anschlags, bei dem er den Angreifer, einen Feldwebel des Heeres, wiedererkennen konnte. Zwei Mädchen waren Zeugen dieses Anschlags; eines von ihnen wurde später ermordet.
Am 25.Juli erschien die Leibwache des (Geheimdienstes) DAS, die ihm zugeteilt war, nicht. An diesem Tag kamen andere Personen zu ihm nach Hause, die sich als Beamte des DAS ausgaben und behaupteten, daß er in Villavicencio gebraucht werde.
Er ahnte, was passieren würde, und einer seiner Söhne versuchte, ihn mit einer Waffe zu verteidigen, wurde aber von den Beamten entwaffnet. Auch seine Mutter kam heraus und klammerte sich an ihm fest, wurde aber von den Beamten an den Haaren weggezogen, während sie ihn mitnahmen. Unterwegs gaben sie mehrere Schüsse auf ihn ab; er starb jedoch nicht sofort, sondern drei Tage danach.
2.3. Auch der belgische Priester Pater Daniel Hubert Gillard der Auferstehungsgemeinde, Pfarrer der Kirchengemeinde „Santo Evangelio“ im Stadtviertel Antonio Narino in Cali, war Gegenstand von Ermittlung und Observierung durch den B-2 (Geheimdienst des Heeres, d. Red.) von Cali, da man meinte, daß seine bewußtseinsbildende Arbeit dazu führe, daß die Leute zu viele Forderungen an die Regierung stellten.
Das Attentat gegen ihn am 10.April 1985 wurde in einem gemeinsamen Einsatz von DAS und Heer geplant und durchgeführt. An diesem abend erwarteten sie ihn in der Nähe der Pfarrei; sie ließen ihn mit seinem Wagen vorbeifahren und gaben ihm nach zehn Metern den Befehl „Halt“, den er schon nicht mehr hören konnte, worauf sie auf ihn schossen. Einer der am Attentat beteiligten Beamten war der Beamte Mendez, alias „die Stute“, der zu diesme Zweck von Bogota hergeschickt worden war.
Pater Gillard starb nicht im Attentat, blieb jedoch bewußtlos und lag lange Zeit im Krankenhaus. Später gab Hauptmann Rodriguez vom (Geheimdienst) S-2 des Bataillons in Cali den Befehl, ihm den Sauerstoff abzudrehen, „um ihm beim Sterben zu helfen“.
2.4. Bezeugen kann ich ebenfalls die Existenz von Allianzen zwischen Mitgliedern der Streitkräfte, Industriellen und Drogenhändlern zur Finanzierung und Gründung von Gruppen der „Schwarzen Hand“ oder „Todesschwadronen“, die Einsätze der „Sozialen Säuberung“ betreiben. Im einzelnen:
a) In Tulua (Valle) bildete der Polizeimajor Raul de Jesus Suarez Gutierrez (heute Oberstleutnant, abgestellt nach Arauca), eine dieser Gruppen, die als Operationsgebiet Cali, Tulua, Palmira und Yumbo hatten, wo sie mindestens 30 Personden töteten.
Major Suarez wählte Personal der Polizei aus und unterwarf die Beamten einer „Taufe“, die darin bestand, daß alle an einem Verbrechen teilnahmen, mit der Absicht, jegliches Reden zu verhindern. So verübten sie im Juni 1986 ein nächtliches Massaker an Homosexuellen in Tulua, und warfen ihre Leichen in den Fluß Cauca. Ein Metzger war Zeuge des Massakers und wurd später selbst von der Gruppe ermordet.
Zur Finanzierung dieser Einsätze der „Schwarzen Hand“ erhielt Major Suarez Geld von Industriellen aus dem Valle. Herr Pablo Hamerleng, Sicherheitschef der Firma Carvajal in Cali (Telefon: 2 57 50 11), trug mehr als zwei Millionen Peso bei. (...)
e) Bei dieser Art von illegalen Einsätzen zählt man auf die Hilfe ausländischer Personen. Herr Vigam, Sicherheitschef der israelischen Botschaft in Bogota, gibt gemeinsam mit einem Herrn Yossia, ebenfalls von der Sicherheitsmannschaft der Botschaft, für Mitglieder des Bataillon „Charry Solano“ Kurse über Beschattungsmethoden, Taktiken der Ausforschung und ähnliches.
2.7. Zum Abschluß möchte ich Sie in Kenntnis der Namen von einigen Personen setzen, die gegenwärtig Objekt von Ermittlungen und Observation von Seiten des Bataillons „Charry Solano“ sind und deren Leben aus diesem Grunde in starkem Maße gefährdet ist.
-Herr Manuel Zapata Olivella, Führer einer Bewegung der Schwarzen.
-Herr Victor Diusaba, Journalist der Zeitung „El Siglo“.
-Herr Angel Tolosa, Führer einer Bauernbewegung (ANUC).
-Doktor Eduardo Umana Mendoza, ein Rechtsanwalt, der mit Menschenrechtsgruppen zusammenarbeitet.
-Herr Alberto Gonzalez, Journalist der Zeitung 'El Mundo‘ aus Medellin.
-Herr Jesus Castaneda, Journalist einer internationalen Presseagentur, deren Büro an der „Plazuela de las Nieves“ liegt.
-ein Herr, der mit Anmesty International zusammenarbeitet, mit Vornamen Edgard, groß, Bartträger. (...)
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