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Alternatives Umschalten oder Abschalten?

Die einzige Gegenveranstaltung zur Internationalen Funkausstellung in Berlin bot wenige Alternativen zur drohenden High-Tech-Revolution / Mut zum Abschalten als neue Medienpolitik? / Medienkritiker Eurich setzt auf „interpersonelle Kommunikation“  ■  Von Ute Thon

Berlin (taz) - Der Siegeszug der neuen Kommunikationstechnologien, der alle zwei Jahre anläßlich der Internationalen Funkausstellung in Berlin von Geräteherstellern und Politikern gefeiert und vom unermüdlichen Besucherstrom goutiert wird, läßt linken Medienkritikern die Haare zu Berge stehen. Was soll man dem Technikrausch entgegenhalten?

In den Jahren 1985 und 1987 hatten Anti-Kabel-Initiativen noch einen kompletten Gegenkongreß, die Internationale Bildstörung, auf die Beine gestellt, um den Widerstand von unten zu mobilisieren. Doch die Zeiten ändern sich. Längst haben auch einstige Gegner der Computerisierung Bildschirme auf ihren Schreibtischen stehen und den Kabelanschluß im Wohnzimmer. Schon zur letzten Internationalen Funkausstellung im Jahre 1987 ließ sich kein diskussionsfähiges Widerstandspotential auf einem Podium versammeln. Dieses Jahr nun hatte die IG Medien zusammen mit dem Institut für Informations- und Kommunikationsökolgie (IKÖ) unter dem Motto „Umschalten oder Abschalten?“ am Dienstag abend zu einer Gegenveranstaltung ins Berliner Literatur-Cafe geladen.

Um es gleich vorwegzunehmen, über alternative Kommunikation wurde an diesem Abend nicht geredet. Claus Eurich, Dortmunder Journalistik-Professor und fundamentaler Kritiker medialer Großtechnologien, hielt einen Vortrag über die Folgen der Einführung von HDTV (High Definition Television), in dem er ausführlich auf die komplexen wirtschaftlichen und militärischen Zusammenhänge der neuen fernsehtechnischen Entwicklung einging.

HDTV stehe für eine langfristig geplante Vereinheitlichung von Computer- und Fernsehbildschirmen („Digital Fusion“). Die Standardisierung der gesamten Fernseh-, Film und Videobranche führe zu erheblichen Rationalisierungen in diesen Bereichen der Kulturindustrie, und der Zuschauer werde mit gestochen scharfen Riesenbildern paralysiert, lauteten einige seiner Thesen.

Was er am Ende seines eineinhalbstündigen Vortrags den rund hundert Zuhörern allerdings an politischen Alternativen und Widerstandsmöglichkeiten vorschlug, blieb merklich blaß. Statt HDTV bräuchten wir HDR, „High Definiton Resistance“, Mut zum Abschalten und eine Besinnung auf interpersonelle Kommunikation, das waren die konkretesten Lösungen. Auch die Video-Installationen, die das Büro für ungewöhnliche Maßnahmen eigens für die Veranstaltung vorbereitet hatte, boten da keinen Ausweg aus der Ratlosigkeit.

Die anschließende Diskussion verlief entsprechend richtungslos. Anwesende Medienpädagogen und Gewerkschafter äußerten ihren Unmut, weil ihnen Anregungen und Hilfestellungen für ihre tagtägliche Arbeit im Medienbereich fehlten. Mit Recht verwies Eurich zwar darauf, daß eine einzige Veranstaltung nicht ausreichen könne, um alternative Zukunftsperspektiven zu entwickeln, doch seine puristische Anti-Haltung, die jede Form alternativer Medienpartizipation als bloße Augenwischerei verurteilt, bot auch eine schlechte Diskussionsgrundlage.

Nach einer zähen Diskussion ging man unversöhnlich auseinander - mit der einzigen Einsicht, daß es den kollektiven Widerstand gegen die mediale Großtechnologie nicht gibt. Kommentar Seite 8

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