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Kokainboß Escobar fordert Dialog

■ Zugleich packt ein ausgestiegener kolumbianischer Geheimdienstler aus: Folter und Mord beim Militär

Während die kolumbianische Regierung ihre Razzien gegen die Drogenmafia fortsetzt und die ersten Auslieferungen an die USA erwartet werden, signalisieren die Kokainbarone nun Verhandlungsbereitschaft. In einem Telefonat mit einem anonymen Gesprächspartner, das der kolumbianische Geheimdienst auffing, bot Pablo Escobar Garivia, mutmaßlicher Chef des „Kartells von Medellin“ der Regierung einen Deal an (siehe Kasten unten): Keine Auslieferung an die USA, im Gegenzug verzichtet das Kartell auf seine beschlagnahmten Besitztümer. Andernfalls, so droht „Don Pablo“, werde es Tote geben, immer mehr Tote.

Auch Fabio Ochoa, dessen drei Söhne - Jorge Luis, Juan David und Fabio - ebenfalls in der Führungsetage des „Kartells von Medellin“ sitzen, hat ein Verhandlungsangebot an die Regierung gerichtet. In einem offenen Brief an Staatspräsident Barco schreibt der Patriarch des Ochoa -Clans, der sich heute nur noch der Pferdezucht widmet und von der Justiz nicht gesucht wird, niemand könne diesen Krieg gewinnen. Die Drogenbosse hätten gesagt, daß sie ein Grab in Kolumbien einem lebenslänglichen Aufenthalt in einem US-Gefängnis vorzögen. „Ich denke, sie haben damit recht“, stimmt Ochoa ihnen zu, „es sind auch nur Menschen, sie haben Mütter, Väter, Kinder, Brüder, Verwandte und Freunde, sie haben also auch ein Herz.“ Der Vorschlag von Papa Ochoa lautet schlicht: „Kein Drogenhandel mehr, kein Krieg mehr, keine Morde mehr, keine Bomben mehr, keine Brände mehr“. Die Drogenbosse seien zu Verhandlungen bereit, allerdings müßten auch die Regierung, die linke Guerilla und die paramilitärischen Gruppen Verhandlungsbereitschaft zeigen.

Als dritter drängte am Dienstag Juan Gomez Martinez, der Bürgermeister von Medellin, auf Verhandlungen. Der Oppositionspolitiker und Präsidentschaftskandidat, der 1987 nur knapp einer Entführung durch die Drogenmafia entging. „Ich bestehe darauf, daß wir mit den Feinden sprechen müssen, wenn wir einen Frieden erreichen wollen“, schrieb das politische Oberhaupt der Kokainmetropole dem Präsidenten in einem persönlichen Brief.

Doch Präsident Virgilio Barco wird nicht müde zu betonen, daß es mit den Kokainbaronen nichts zu verhandeln gebe. Auch die Justizministerin Monica de Greiff, die inzwischen jegliche Rücktrittsabsichten öffentlich dementiert hat und zur Zeit in den USA über die technische und militärische Zusammenarbeit verhandelt, lehnt einen Dialog mit den Drogenbossen, die ihr nach dem Leben trachten, ab. Angesichts der bevorstehenden Auslieferung von gefaßten kolumbianischen Dealern in die USA versicherte am Dienstag auch Brent Scowcroft, Sicherheitsberater des Weißen Hauses, in einer Fernsehansprache, mit den Drogenbaronen werde es keine Gespräche geben. Er hatte zuvor an einer Besprechung mit Bush über einen weltweiten Kreuzzug gegen die Drogen teilgenommen, den sich die USA siebeneinhalb Milliarden Dollar kosten lassen wollen. Am 5. September soll der Plan der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

In Kolumbien selbst geht der Krieg inzwischen weiter: Am Dienstag explodierten vor sechs Filialen der staatlichen Spirituosenfabrik der Provinz Antioquia, deren Hauptstadt Medellin ist, Sprengsätze. Vier Raketen mit Selbstzündevorrichtung, die auf die Fabrik selbst gerichtet waren, konnten von der Polizei noch rechtzeitig entschärft werden.

Thomas Schmid

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