: Lesarten eines Gedichts
Kuno Bärenbolds Gedicht wurde zuerst in dem Anzeigenblatt 'Karlsruher Kurier‘ abgedruckt. Die Leser verstanden das Gedicht. Sie lasen auch die letzte Zeile. Das gesunde Volksempfinden meldete sich schriftlich und telefonisch. Rabiat, wie wir es von ihm gewohnt sind. Die Redaktion der Zeitung wurde bedroht, man werde bei ihr die Scheiben einwerfen, man werde die politischen Parteien gegen derartige Anpöbeleien mobilisieren und werde Anzeigen stornieren, solange die Redaktion sich nicht für den Abdruck entschuldige. Auch der Autor wurde bedroht. Nichts, was einen in die Emigration treiben könnte, aber immerhin hatte Bärenbold gute Gründe dafür, sein Namensschild an der Wohungstür zu entfernen und eine Woche lang umzuziehen. Inzwischen hat auch die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren begonnen. Sie allerdings scheint nicht lesen zu können. Sie wittert Pro-Nazi-Äußerungen.
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