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Das Yoga der Liebe

■ Eiland: Aldous Huxleys Utopie einer urkommunistischen Gesellschaft als Hörspielkassette

Dreißig Jahre nach seinem berühmten Roman Schöne neue Welt, der neben Orwells 1984 meistgelesenen Anti -Utopie dieser Welt, entwarf der Brite Aldous Huxley das positive Gegenstück zu der genormten Wohlstandgesellschaft aus dem Jahre „632 nach Ford“. Pala, eine für Fremde verbotene Insel im indonesischen Archipel, ist ein vorindustrielles, urkommunistisches Paradies auf tantrabuddhistischer Grundlage: statt Militär und Polizei sexuelle Anarchie und bewußtseinserweiternde Drogen aus staatlicher Produktion für jedermann. Die Kinder lernen in der Schule Frechheit und Selbstbewußtsein, die Grundregeln der Ökologie und das Yoga der Liebe; die Eltern arbeiten auf genossenschaftlich organisierten Feldern. In Petra Kieners Hörspielfassung zwitschern pausenlos die Vögel...

Dennoch: Das ist nicht kitschiger als Hesses Glasperlenspiel und schon gar keine müsli-verbrämte Hippie-Nostalgie. Eher eine multikulturelle Utopie gegen die alten Ideologien des Ost/West-Blocks, die das Bruttosozialprodukt für ein Glücksbarometer halten und Elektrizität plus Sozialismus für Kommunismus. Diese „zivilisierte“ Welt wird repräsentiert durch Prinz Murugan und seine Mutter, die Rani, die einen „Kreuzzug des Geistes“ gegen die anarchischen Zustände auf Pala starten, tatkräftig unterstützt vom fiesen Nachbarn, ein Diktator, der vom Export der „Wasserstoffbombe des armen Mannes“ - Nervengas lebt, sowie von Lord Aldeheyde, britischer Zeitungsverleger und Ölmagnat, der ein gutes Geschäft wittert...

In Eiland verbindet Aldous Huxley am konsequentesten seine buddhistisch geprägte Philosophie mit dem realkapitalistischen Alptraum einer militanten Hig-Tech -Zukunft. Es ist eines dieser Werke, von denen Hörspieldramaturgen träumen, exotische Klangwelten mit schwatzenden Papageien und philosophierenden Kindern, Dramatik und Abenteuerreisen in innere Regionen. Der Münchner Drehbuchautorin und Regisseurin Petra Kiener ist die akustische Übersetzung hervorragend gelungen.

Klaus Farin

Aldous Huxley, „Das Eiland“. Zwei Kassetten, 131 Min.; Cotta's Hörbühne 1989; Regie: Petra Kiener; Mitwirkende: Christian Brückner, Rolf Becker, Peter Lühr, Brigitte Röttgers u.a.; Produktion SWF, Baden-Baden 1984

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