Schwarze streiken gegen weiße Wahl

Am Tag der Wahl liegt Südafrika lahm / Millionen Schwarze beteiligen sich am Generalstreik  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Millionen von schwarzen Südafrikanern folgten gestern dem Aufruf der Anti-Apartheid-Opposition und beteiligten sich an einem Generalstreik aus Protest gegen die für Weiße, Mischlinge und Inder reservierten Wahlen. In Johannesburg waren Bahnhöfe, Bus- und Taxihaltestellen am Morgen verlassen. „Der Generalstreik ist sehr, sehr umfangreich“, sagte Vincent Brett, ein Sprecher der Vereinigung der Handelskammern. Gleichzeitig kam es im ganzen Land zu Demonstrationen, die von der Polizei aufgelöst wurden. Dabei setzte sie Peitschen, Tränengas und Schrotgewehre ein. Es kam zu einer Reihe von Verhaftungen.

Weiße Wähler aller Parteien verurteilten gestern die Proteste der schwarzen Mehrheit gegen die Wahlen. In Hillbrow, einer Apartment-Gegend am Rande der Johannesburger Innenstadt, nannte eine junge Unterstützerin der liberalen Demokratischen Partei (DP) die Proteste sinnlos und unnötig. „Die DP ist für diese Leute“, sagte sie. „Sie sollten uns unterstützen, denn wenn die Konservative Partei (CP) an die Macht käme, würde es aus allen Richtungen Sanktionen hageln.“

Tausende von Schwarzen sind in den letzten Jahren nach Hillbrow gezogen, obwohl die Gegend offiziell für Weiße reserviert ist. „Wir kämpfen dafür, daß Hillbrow wieder für Weiße reserviert wird“, sagt T.J.Ferreira, CP-Kandidat in Hillbrow. „Die CP muß dieses Land wieder zurechtbiegen“, sagte ein junger CP-Unterstützer. „Hier kann man nachts gar nicht mehr alleine auf die Straße gehen, ohne ange Fortsetzung auf Seite 2

griffen zu werden.“

Allen Beobachtern zufolge wird die regierende Nationale Partei in dieser Wahl Mandate sowohl an die CP als auch an die DP verlieren. Den stärksten Zuwachs erwarten die Konservativen in weißen Arbeitergegenden. „Die CP kämft für die weißen Arbeiter“, verspricht ein Plakat in Krugersdorp westlich von Johannesburg. „Man hat den Leuten durch hohe Steuern den letzten Pfennig aus den Taschen gezogen“, sagt CP-Kandidat Clive Derby-Lewis. „Die Leute sind es satt, von der NP regiert zu werden.“

Die Regierung bestehe nur aus Leuten, die sich selbst bereichern wollten. Die Menschen haben die Schwierigkeiten in der Wirtschaft

tatsächlich zu spüren bekommen“, gibt Leon Wessels, NP -Kandidat und stellvertretender Minister für Recht und Ordnung, zu. „Das schadet der Regierung.“ Dennoch betont er die Reformabsichten der NP. „Die CP betrachtet die Schwarzen nicht als Bürger Südafrikas, sondern will sie irgendwo hinschicken, um sie los zu werden“, sagt er. „Wir wollen ihnen gleiche Rechte einräumen.“

Das Recht auf Protest gehört allerdings offenbar nicht dazu. Den Generalstreik gegen die Wahl hält Wessels für eine Überschreitung der Rechte der Gewerkschaften. „Die Gewerkschaften sollten sich nicht politisch äußern“, sagt er. „Aber deshalb müssen eben Strukturen geschaffen werden, die den Schwarzen eine Beteiligung an der Politik ermöglichen.“

Ganz ähnlich äußert sich Glenn Babb, NP-Kandidat in Randburg, einer wohlhabenden Gegend nördlich von Johannesburg. „In dieser Wahl geht es um die Zukunft der

Schwarzen“, sagt er. „Dies sind die letzten Wahlen, in denen Schwarze keine Stimme haben werden.“ Deshalb hält er Demonstrationen gegen die Wahlen für falsch. „Das ist einfach eine Provokation, die mehr auf die internationale Öffentlichkeit abzielt als auf Südafrika.“

Babb steht in einer der spannendsten Konfrontationen dieser Wahl gegen den DP-Führer Wynand Malan, selbst ehemaliger NP -Parlamentarier. Sogar Präsident Frederick de Klerk macht sich die Mühe, Babb mit einem persönlichen Besuch am Wahltag unter die Arme zu greifen. Doch Malan ist siegessicher. „Die Wähler suchen eine Partei, die innovativ ist, die das Land in Richtung einer wahren Demokratie führen kann.“

Für Malan ist auch der Generalstreik Teil der Demokratie. „Wenn ich nicht hätte wählen können, hätte ich sicher auch protestiert“, meint der Bure. „Und letztendlich nimmt die Opposition mit diesem Protest auf ihre Weise an der Wahl teil.“