Weiße Wahlen - schwarze Zukunft

■ Südafrikas regierende Nationale Partei gewinnt so knapp wie noch nie / Vorerst bleibt alles beim alten

Die einen wählten - die anderen waren ausgeschlossen und zeigten ihren Protest durch Generalstreik und zivilen Ungehorsam. Am Mittwoch ist Südafrikas neuer Präsident Frederik de Klerk noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen: Die absolute Mehrheit der Stimmen verlor er, die der Sitze bleibt ihm.

„Die Nationale Partei hat von den Wählern ein starkes, deutliches Mandat bekommen, um ihre Pläne zu verwirklichen“, kommentierte Südafrikas amtierender Präsident Frederick de Klerk gestern in den frühen Morgenstunden die Ergebnisse der Parlamentswahl vom Mittwoch. De Klerk betonte, daß die Nationale Partei (NP) allein regieren werde, ohne Rücksicht auf Forderungen der liberalen Demokratischen Partei (DP) oder der ultrarechten Konservativen Partei (CP) nach einer Koalition.

Aber de Klerk machte nur gute Mine zum bösen Spiel. Seine Partei hat in den Wahlen vom Mittwoch die größten Verluste in ihrer Geschichte hinnehmen müssen und erzielte das schlechteste Ergebnis seit 41 Jahren. Statt mit 123 Sitzen wird die Regierungspartei jetzt mit nur noch etwa 93 Mandaten regieren müssen. Starke Opposition wird es sowohl von der CP mit 39 Abgeordneten als auch von der DP mit 33 geben. Nur 47 Prozent der weißen Wähler unterstützten die NP, während 28 Prozent die CP wählten und 25 Prozent die Demokratische Partei.

Im Vergleich mit den Ergebnissen der letzten Wahl 1987 zeigt sich, daß die Liberalen die eigentlichen Gewinner dieser Wahl sind. Sie konnten ihre Unterstützung um rund acht Prozent der Stimmen verbessern, während die Konservative Partei sogar ein Prozent weniger Stimmen als beim letzten Mal erhielt. Die Nationale Partei mußte fünf Prozent vor allem an die „Demokraten“ abgeben. Die Konservative Partei konnte allerdings vor allem deshalb zusätzliche Sitze erobern, weil ihr in vielen kritischen Wahlkreisen nicht, wie 1987, eine zweite ultrarechte Partei Stimmen abgenommen hat.

Präsident de Klerk betonte gestern, daß mehr als siebzig Prozent der weißen Wähler für eine reformorientierte Partei gestimmt hätten. Dies sei ein deutlicher Hinweis, daß Veränderungen gewünscht würden. Er will nun den vor der Wahl vorgelegten Fünfjahresplan seiner Partei in die Wirklichkeit umsetzen. Das bedeutet allerdings keine tiefgreifende Veränderung, sondern nur eine erneute Anpassung der Apartheid an den vermehrten Druck.

„Rassische Gruppen“ bleiben

De Klerk gründet seine Politik auf den Begriff der nach Rassen definierten „Gruppen“, die ihre „eigenen Angelegenheiten“ zu bestimmen hätten. Seine Partei wird also weiterhin an einer nach rassischen Kategorien definierten Gesellschaft festhalten.

Am Mittwoch wurden auch die Parlamentskammern für Inder und Mischlinge (die sogenannten „Farbigen“) gewählt. Hier bestätigten sich vorherige Verhältnisse. Die Wahlbeteiligung lag bei den Farbigen unter 30 Prozent, in der Parlamentskammer der Inder etwas höher. Die „Arbeiterpartei“ gewann 69 Mandate in der 80 Sitze umfassenden Kammer für Mischlinge. Die 40 Sitze der Inder sind unter mehreren Parteien verteilt, ohne daß eine Partei eine deutliche Mehrheit hat. Dort werden die Machtintrigen der letzten Jahre weitergehen. Auf die Politik des Landes hat all das allerdings so gut wie keinen Enfluß.

Die schwarze Mehrheit machte am Wahltag deutlich, daß sie die Wahl nicht als legitim akzeptiert. Im größten Generalstreik in der Geschichte Südafrikas blieben mehr als drei Millionen Menschen der Arbeit fern. „Wir werden es nicht mehr akzeptieren, auf die alte Art und Weise regiert zu werden“, sagte Jay Naidoo, Generalsekretär der oppositionellen Gewerkschaftsföderation Cosatu gestern. „Wir werden unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen und die Apartheid abschaffen.“ Dabei könne die Regierung entweder mitspielen oder aber wie bisher mit Repression reagieren. „Egal welche Partei die Wahlen gewonnen hat - wenn sie nicht mit uns, mit der schwarzen Mehrheit, als Menschen umgehen, dann wird es keinen Frieden geben“, kommentierte der Generalsekretär von Cosatu weiter.

Ziviler Ungehorsam

geht weiter

Mit dem Ausgang der Wahl sind die Aktionen des zivilen Ungehorsams lange nicht beendet. Am 12. September wollen Nactu, das Black Consciousness Movement und andere Organisationen des Todes Steven Bikos gedenken, der am 12. September 1977 im Gefängnis starb.

Ab 13. September laufen mehrere Aktionen an, bis in den Oktober hinein. Unter anderem ist ein Kaufboykott aus Protest gegen die Verschärfung der Arbeitsgesetzgebung geplant, wie Cosatu-Vizepräsident Mafumadi nach einem Treffen mehrerer Gewerkschaften und Verbände angekändigt hatte.

Und am 7. Oktober dann ist eine Anti-Apartheid-Konferenz mit dem Titel Konferenz für eine demokratische Zukunft vorgesehen. Eine ähnliche Veranstaltung im vergangenen Jahr war verboten worden.

Hans Brandt (Johannesburg)