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Die SPD auf dem Weg ins Museum

■ In Abwesenheit der AL vollzog die SPD am Freitag endgültig die Wende zum Deutschen Historischen Museum / Bei einer Anhörung zur Konzeption zeigte sich die Kultursenatorin als Werbechefin

Die Kultursenatorin hätte letzten Freitag im Reichstag wenigstens so tun können als wäre sie noch interessiert an einer Diskussion um die Konzeption des Deutschen Historischen Museums. Doch weit gefehlt: schon bei der Begrüßung zu der ursprünglich für zwei Tage geplanten Anhörung verkündete Anke Martiny, es könne nicht darum gehen, „eine neue Konzeption vorzulegen oder die Konzeption vom 24.Juni 1987, die eine unabhängige Sachverständigenkommission erarbeitet hat, ändern zu wollen“. Und da die Entscheidung für das alte Konzept abgesehen von wenigen für notwendig erachteten Schönheitsoperationen also schon von vorneherein feststand, sollte die Veranstaltung noch nicht einmal zur Anhörung im eigentlichen Sinne werden: Die Diskussionsleitung übertrug Martiny ihrem Staatssekretär, da sie selbst „aktiv teilnehmen“ (also lieber reden als zuhören) wollte an dieser PR-Veranstaltung für das DHM, in Dankbarkeit gewidmet dem Museumsschenker und SPD-Utopie-Lieferanten Helmut Kohl. „Es ist ja nicht schädlich, wenn man etwas geschenkt kriegt, und das muß man ja nicht unbedingt ablehnen.“ So lobte die frischgekürte DHM-Promoterin ausdrücklich den Werbecoup des Museumsdirektors Stölzl, dessen derzeitige Ausstellung des bereits Gesammelten „der Öffentlichkeit hilft, manche Verdachtsmomente, die immer noch vorliegen, zu entkräften“. Tadeln mußte sie indessen implizit mehrfach die AL, „die mit der Begründung einer Klausurtagung der Fraktion an dem Hearing nicht teilgenommen hat“. Als wäre die Terminplanung der Kulturverwaltung Schuld der AL.

Auch sonst wurde die Position der kleineren Koalitionspartnerin nicht klar gestellt: Was die Tischvorlage betraf, auf deren Grundlage dem DHM applaudiert werden sollte, so wurde zwar darauf hingewiesen, daß diesem Entwurf „keine entsprechende Meinungsbildung des Senats“ zugrunde liege, immer wieder auftauchenden Vermutungen, die Handschrift der AL erkennen zu können, wurde jedoch nicht entgegengetreten. Daß die AL dieses Papier in keinster Weise billigt, wurde noch nicht einmal erwähnt.

Überhaupt: fundamentale MuseumsgegnerInnen waren unter den zirka 25 Rednern und weiteren zirka 25 Teilnehmern nur eine Handvoll anwesend: Dieter Ruckhaberle (Staatliche Kunsthalle), Dorothea Kolland (Heimatmuseum Neukölln), Katharina Kaiser (Kunstamt Schöneberg), Karl-Walter Beise, (Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum), Andreas Ludwig und Michael Wildt (Geschichtswerkstätten) sowie Eckhard Siepmann (Werkbundarchiv). Ihre Argumente gegen „die überdimensionale strukturelle Gewalt des DHM“ (Ruckhaberle) und gegen das „mediale Superzeichen DHM, das für sich immer schon die Botschaft eines institutionalisierten Identifikationsangebotes hat, die auch durch eine noch so liberale Präsentation nicht relativierbar ist“ (E. Siepmann frei nach Marshall McLuhan) qualifizierte Martiny jedoch als „statisch“ ab.

Schon eher gefielen ihr da die wende-dynamischen Blanko -Versicherungen sozialdemokratischer Partizipationsstrategen: „Irgendsoetwas brauchen wir“, und „Es geht um die kulturelle Selbstgewißheit der Deutschen“ (Freimut Duve); „Die anfänglichen neokonservativen Absichten scheinen verschwunden“ (Bernd Faulenbach, Historische Kommission der SPD); „keine Apologetik, kein Altar, kein...“ (Jürgen Kocka, Historiker). Und da Kocka altparteienübergreifend und großkoalitionär „viel grundsätzliche Übereinstimmung über Grundteile Unserer Geschichte in Unserem Lande“ feststellte ging man dann fest auf dem Boden der Mehrheitsgeschichtsschreibung stehend - auch gleich voll in akademische Detailfragen: so fand Professor Schilling, daß die historische „Schaltstelle frühe Neuzeit“ in den Mittelpunkt gerückt werden müßte, was den angenehmen Effekt der „Rücknahme der eratischen Preponderanz Berlins“ hätte und überhaupt das anrüchige deutsch -nationalstaatliche im Museum schwer relativieren würde. Dies brachte dann den Schweizerischen Landesmuseums-Mann Andreas Furger dazu, daran zu erinnern, daß „einige 100 Tausend Jahre Menschen hier gewohnt haben“, eine Tatsache, die er nicht genug berücksichtigt sah. Etc. Etc.

Im ganzen scheinen die Aufgaben des DHM und mit ihnen die Zugeständnisse der SPD an ein solches „Jahrhundertprojekt“ (Martiny) permanent größer statt kleiner zu werden: während das SPD-Positionspapier immerhin den Sammlungsauftrag auf das 19. Jahrhundert beschränkt wollen die Museumsapologeten allesamt die ganze Hand und sammeln, was ihnen in dieselbe fällt. Ein weiterer Vorschlag der SPD, nämlich den Monumentaltitel „Deutsches Historisches Museum“ mit dem Untertitel „Forum für Geschichte und Gegenwart“ genießbarer zu machen, wurde von Hubert Glaser als Zeichen für „entweder ein schlechtes Gewissen oder für eine unklare Konzeption“ enttarnt. Und was den damit verbundenen dritten SPD-eigenen Gedanken betrifft, nämlich die stärkere Betonung von (teuren) Wechselausstellungen gegenüber einer ständigen Schausammlung, so wies der Ex-DHM-Gegner Gottfried Korff auf die dadurch enorm steigenden Kosten hin: Auch diese Pseudomodifikationen des Konzepts werden wohl bald auf der Strecke bleiben.

Dennoch fand sich die Kultursenatorin am Freitag abend um 17 Uhr „seit 10 Uhr sinnvoll beschäftigt“, was allerdings niemanden veranlaßte die Zeit bis 18 Uhr auszunutzen oder gar am nächsten Tag wie vorgesehen weiter zu „diskutieren“. Nach eigenen Aussagen hatte sie nämlich schon gelernt, daß ihr Papier Lücken in Sachen Didaktik, Objektforschungsauftrag und intermusealer Kooperation aufweise, und daß die ausländischen Gäste (in Person eines Dänen, eines Franzosen, eines Schweizers und eines Österreichers) großes Interesse am DHM hätten und vorallem, daß der Forumsgedanken (wie er etwa von der AL favorisiert wird) nicht alternativ zum Museum sei, sondern in dieses integrierbar. Fragt sich nur, ob die AL auch in eine solch museumsreife SPD integrierbar ist.

Gabriele Riedle

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