: Guilhaume-Affäre und Quotenkrieg
■ Frankreichs öffentliche Sender tun sich schwer gegen die private Konkurrenz Superdirektor und Quotierung für Binnenmarktproduktionen sollen helfen
Paris (taz) - Man stelle sich vor: das ZDF wird an die „Hochtief AG“ verkauft, deren Aufsichtsratsvorsitzender erteilt kurz darauf Dieter Hildebrandt wegen einer längst vergangenen Unbotmäßigkeit Senderverbot. Weil dennoch die Zuschauerzahlen von ARD und dem Dritten radikal schrumpfen, wird per präsidialer Notverordnung gegen den Willen des Parlaments, der zuständigen Kontrollkommission und der Mitarbeiter den beiden öffentlichen Anstalten ein gemeinsamer Super-Chef geschenkt. Lediglich die Auswahl des Kandidaten oblag der staatsunabhängigen Kontrollkommission.
All dies geschieht zur Zeit in Frankreich, dem Land, wo Medienpolitik so tumultuös sein kann wie eine Seifenoper, und wo der gebeutelte Zuschauer die Vorgänge dennoch mit gleicher sportlicher Aufmerksamkeit verfolgt wie das kürzlich importierte Baseball: Niemand kennt die Regeln aber es passiert zumindest was.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen Frankreichs ist in der Krise. Alle meckern. Die unverdrossenen Prediger eines pädagogischen und kulturellen Auftrags des Fernsehens, in erster Linie Kulturminister Jack Lang und die Medienministerin Catherine Tasca, drängen die Prgrammdirektoren, mehr nationale oder zumindest europäische Sendungen zu produzieren. Weil dabei angesichts des knappen Budgets oft zwar national stubenreine, aber dramaturgisch dürftige Serien entstehen (wie die diesjährige Revolutionsrevue), sind in den letzten beiden Jahren fast ein Drittel der Zuschauer zur Konkurrenz abgewandert. Zum einen peinlicherweise zu den Fastfood-Sendern „La Cinq“ und „Metropol 6“ (dem italienischen TV-Dogen Berlusconi und dem Zeitungsmagnaten Hersant zuge-hörig), zum andern zurück zu dem 1986 privatisierten „TF 1“. Das Fernsehen des Baulöwen Bouyges ist - dank europäischer Spitzenleistungen wie „La Clinique de la foret noire“... - wieder mit Abstand der meistgesehene Sender (knapp 40 Prozent Marktanteil gegenüber 24 Prozent für Antenne 2 und 11,3 Prozent FR 3).
Was tun? Lang und Tasca ließen gegen den Widerstand aller Betroffenen ein Gesetz verabschieden, das den beiden öffentlichen Anstalten „Antenne 2“ und „France Regionale 3“ einen gemeinsamen Superdirektor an die Spitze stellt. Der solle, so hofften die beiden, Einkauf, Produktion und Vermarktung koordinieren und das Profil der Staatssender „komplementär“ gestalten und überhaupt den ganzen bürokratischen Wasserkopf punktieren, der sich in den Anstalten durch diverse Reformen diverser Regierungen gebildet hatte. All dies zum Wohle des öffentlichen Fernsehens und damit des national-kulturellen Auftrags der Nation.
So weit, so gut. Doch wir wären nicht in Frankreich, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Denn statt die Traumkandidaten von Lang, Tasca (und Mitterrand) zu küren, ernannte der vom Staatspräsidenten ins Leben gerufene „Aufsichtsrat für das Audiovisuelle“ (CSA) den einzigen Kandidaten mit rechtem Stallgeruch zum Superdirektor - um die eigene Unabhängigkeit zu demonstrieren. Die Kompetenz des erwählten Philippe Guilhaume kann jedenfalls nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Entscheidung gewesen sein. Zwar überschlugen sich die Blätter in der Lobpreisung eines Universalgenies, das nicht nur zehn Bücher geschrieben hat (über audiovisuelle Grundfragen wie Das Leben des Nostradamus oder Ökonomie der Elfenbeinküste), sondern auch Busineßschulen gründete und Radiochroniken schrieb. Doch der maliziöse „Canard Enchaine“ erinnerte daran, daß Guilhaume die staatliche Fernsehproduktionsgesellschaft SFP, deren Chef er bislang war, in knallig roten Zahlen zurücklassen würde. Keine guten Voraussetzungen, um eine mit 100 Millionen Francs verschuldeten A 2 wieder flottzumachen.
Weil Guilhaume der Neffe des Gaullisten Chaban-Delmas ist (und seine Frau einen wichtigen Posten in Hersants Medienreich einnimmt) befürchten die Belegschaften von „Antenne 2“ und „FR 3“, daß aus dem versprochenen konzeptuellen Neubeginn nur eine Postenverteilung des Clans der Rechten wird. Die Mitarbeiter von Guilhaume stammen samt und sonders aus dem Umfeld des konservativen 'Figaro‘ von Hersant. Im besten Fall wird wieder Proporz getrieben: A 2 bekommt einen konservativen, FR 3 einen linken Generaldirektor verpaßt.
Auch die Privaten sind nicht erfreut über eine stärkere Kooperation der öffentlichen Sender. Sie fürchten, daß ihnen dadurch Werbeeinnahmen entgingen. Ohnehin stehen Frankreichs Private seit längerem im Kriegszustand mit den Medienministern Tasca und Lang. Anlaß sind die berühmten Quoten für nationale und europäische Produktionen. Gegen die Barbarei US-amerikanischer Serien und japanischer Kindercomics soll der abendländischen Kultur dadurch ein fester Platz zur Primetime garantiert werden. Nun sind derartige Sorgen um den Untergang des Abendlandes kein Monopol der sozialistischen Linken, sondern ein generelles frankophones Phänomen. Schon 1987 hatte die Regierung Chirac versucht, allen, also auch den privaten Sendern mittels Quoten Verstand beizubringen. Die Privaten stimmten zu, einen Teil der Sendezeit französischen Produktionen zu reservieren... und strahlten ungeniert alte Ladenhüter made in France zu nachtschlafender Zeit aus. Ende 1988 wurde deswegen ein strikteres Quotierungsgesetz erlassen, das französischen und europäischen Produktionen 40 bzw. 60 Prozent der Primetime sichern sollte. Die Intellektuellen des Landes klatschten Beifall - die Privaten nicht: Wenn ihnen von Staats wegen vorgeschrieben werde, wann welche Mischung von Wort und Musik, Politik, Werbung und Unterhaltung, Inland und Ausland zu verabreichen sei, könne von freier Programmgestaltung keine Rede mehr sein. Und außerdem würden die Werbekunden da nicht mitspielen, klagten TF 1 und Genossen. Ihre Buhfrau ist Catherine Tasca, die Tochter eines nach Frankreich emigrierten Gründers der PCI, die für diesen Herbst ein neues, verfeinertes Quotengesetz angekündig hat. Das Gesetz soll zwar zahlreiche Ausnahmen von der Quotierung ermöglichen, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Sender sich ihre Lizenz von der CSA -Aufsichtsbehörde neu ausstellen lassen. Böse Zungen sagen, daß das eigentliche Ziel der Operation die Neugliederung der Besitzverhältnisse im Privatfunk sei.
Egal wie der Kampf der Minister Tasca und Lang gegen Guilhaume und Quotenschummler ausgeht - ihnen bleibt immer noch die Speerspitze im Kreuzzug des guten Geschmacks: der von dem Historiker Georges Duby konzipierte Kanal „La Sept“. Ein bislang nur im Abonnement zu bekommendes Hochleistungsfernsehen, das mit dem ZDF zusammenarbeitet und seinen Schwerpunkt auf den deutsch-französischen Kulturaustausch legt. Ein Urteil über diesen generell hochgelobten Kanal abzugeben, verbietet sich dem Rezensenten allerdings angesichts mangelnder Verkabelung.
smo
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