Falscher Fluchthelfer

■ DDR-Spion vor Kammergericht / Flüchtlingsehepaar verpfiffen / Staatsanwalt fordert drei Jahre Haft

In einem Spionageprozeß muß sich seit Montag ein 44jähriger Kraftfahrer vor dem Kammergericht verantworten. Dem ehemaligen DDR-Bürger wird außerdem schwere Freiheitsberaubung, politische Verdächtigung und Urkundenfälschung vorgeworfen. Zu seinen Aufgaben gehörte es u.a., Fluchthilfeunternehmen in West-Berlin auszuspionieren. Der Mann arbeitete seit 1975 rund zehn Jahre für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR und erhielt pro Jahr rund 3.000 Mark Lohn.

Nach kleineren Zuträgerdiensten hat sich der Mann 1983 im Auftrag seines Agentenführers „Alex“ selbst als Kurier bei einem Westberliner Fluchthilfeunternehmen betätigt. In dieser Funktion traf er im September '83 in Ost-Berlin ein junges Paar und deren zweijähriges Kind. Er habe die beiden vor der Flucht gewarnt, weil sie von Mitarbeitern des MfS beobachtet würden. Dem widersprachen die jetzt 28jährige Köchin und ihr damaliger Freund. Der Angeklagte habe ihnen das Kennzeichen des Fluchtautos gegeben und erklärt, es würde bei Staaken warten. Der Fahrer des Fluchtfahrzeugs und das Paar, das nun in West-Berlin lebt, wurden festgenommen. Sie verbüßten in der DDR jeweils Haftstrafen von über einem Jahr. Die Staatsanwaltschaft beantragte gestern eine Gesamtstrafe von drei Jahren.

Der Angeklagte selbst war nach einem Fluchtversuch in den siebziger Jahren in der DDR zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er habe sich zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet, erklärte der Kraftfahrer, weil ihm dadurch eine vorzeitige Entlassung nach rund 30 Monaten Haft zugesichert worden war. 1987 hatte der Kraftfahrer schließlich in West-Berlin bei der Polizei eine „Lebensbeichte“ abgelegt.

dpa