: Willy Brandt
■ Betr.: "Erinnerung an 'nationale Schande'", taz vom 2.9.89
betr.: „Erinnerung an 'nationale Schande'“, taz vom 2.9.89
Wichtiges hat Willy Brandt klargestellt: Da ist die eindeutige Antwort auf die weitverbreitete Ein-Täter-These (Hitler war's, wir haben nur nur gebetet), die in den letzten Wochen wiedergekaut wurde von zahlreichen TV-Teams, Hobby-Historikern - ungelernten wie Augstein, studierten wie Kohl -, diversen offiziösen Wissenschaftlern wie Fest und Jäckel etc.
Da ist aber auch das Garantieren der polnischen Westgrenze, das der Bundestag, vor allem dank selbsternannter Liberaler nicht aussprechen wollte. Die Begründung hierfür ist ebenso konsequent wie klar: Der Blick auf Oder/Neisse ist die verbale Vorbereitung auf mögliche militär- und de facto wirtschaftspolitische (nicht zufällig ausgesprochen durch den Finanzminister) Aufgaben, eine Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens in Europa. Darüber hinaus aber auch der Versuch, die historische Verantwortung der BRD zu leugnen.
Hier allerdings verläßt den Bundeskanzler a.D. die politische Logik: Er redet Unverständliches vom gefährdeten „Zusammenhalt der Deutschen, wo sie heute leben“, den „Landsleuten“ in der DDR usw.
Er übersieht, daß die Teilung Deutschlands eine Folge des deutschen Expansionsdranges ist - denn wie hätte und würde sich eine großdeutsche Territorial- und Wirtschaftsweltmacht verhalten? Die politischen und industriellen Eliten dieses Kolosses würden sich im Osten und dann im Westen zurückholen, was ihnen - wie lautet doch die phantasievolle Formulierung - „völkerrechtlich“ zusteht.
Die Existenz der DDR ist nicht auf den kalten Krieg zurückzuführen, sondern auf die Einsicht, daß die Sonderwegtheoretiker nie mehr Europa in Schutt und Asche legen können. 1918 hätte eine Teilung den zweiten Griff nach der Weltmacht noch verhindern helfen können. Angesichts der weiteren geschichtlichen Entwicklung kann die heutige Forderung nur lauten: Anerkennung der DDR, was wohlgemerkt, nichts mit einer Konsolidierung der SED-Greisen-Riege zu tun hat.
Ein Festhalten an der Phrase von der „deutschen Einheit“ und gleichzeitiges Nein zu Oder/Neisse ist deshalb historisch unlogisch. Waigel, Dregger und Mitmaschierer könnten weiterhin die bundesdeutsche Verantwortung - zu Recht sogar - leugnen. Denn weshalb soll man aus dem Zweiten Weltkrieg die eine Schlußfolgerung akzeptieren und die andere nicht?
Marcus Schwarzbach, Immenhausen
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