: Charismatischer Führer, der keine Kritik duldet
Swapo-Präsident Samuel Nujoma ist erster Anwärter auf den Präsidentenposten des unabhängigen Namibia / Ein halbes Leben verbrachte er im Exil ■ P O R T R A I T
Im Februar 1960 mußte Shafiishuna Samuel Nujoma fluchtartig sein Heimatland Namibia verlassen. Durch die Kalahari-Wüste machte er sich auf den Weg nach Osten, in das Nachbarland Botswana. Nur mit Hilfe des Herero-sprachigen Mbanderu -Stammes unter Häuptling Munjuku Nguvauva schaffte er es durch die Wüste. Über Botswana und Tansania kam er nach Ghana, wo er von dem berühmten afrikanischen Führer Kwame Nkruma empfangen wurde. Seitdem lebte Nujoma im Exil.
Wenige Wochen vor seiner Flucht, am 10. Dezember 1959, hatte die Polizei in der Hauptstadt Windhuk 13 Demonstranten erschossen. Nujoma hatte die Demonstration gegen die geplante Umsiedlung von Schwarzen aus Windhuk in die neugegründete Siedlung Katutura organisiert. Er selbst verbrachte eine Woche im Gefängnis, wurde jedoch freigelassen, während ein Verfahren gegen ihn vorbereitet wurde. Dieses Verfahren wartete er nicht mehr ab.
Nujoma wurde am 12. Mai 1929 in Ovamboland im Norden Namibias geboren. Er ging in eine finnische Missionsschule im Ovamboland und von dort in eine Schule in Windhuk, wo er 1954 seine Ausbildung abschloß. Von 1955 bis 1957 arbeitete Nujoma als Kellner auf Zügen der südafrikanischen Eisenbahn. Doch seine Aktivitäten als Gewerkschafter führten 1957 zu seiner Entlassung. Danach arbeitete er als Verwaltungsgehilfe bei der Stadtverwaltung in Windhuk und in einem Großhandelsunternehmen.
1959 schloß Nujoma sich der zwei Jahre zuvor in Kapstadt gegründeten „Ovamboland Volksorganisation“ (OPO) an, nachdem einer der OPO-Mitbegründer, der heutige Swapo -Generalsekretär Andimba Toivo ya Toivo, ihn rekrutiert hatte. Er profilierte sich als Leiter der OPO-Gruppe in Windhuk, indem er die Proteste gegen die Umsiedelung von Schwarzen, die letztlich zu seiner Flucht führten, organisierte. Diese Arbeit brachte ihm innerhalb der Organisation soviel Anerkennung, daß er schon wenige Monate nach seiner Rekrutierung OPO-Präsident wurde, eine Position, die er noch immer innehat.
Nach seiner Flucht ins Exil begann er sofort auf internationaler Ebene für die Unabhängigkeit Namibias zu kämpfen.Im Juni 1960 sprach er erstmals vor dem UNO-Komitee für Namibia in New York. Im selben Jahr wurde aus der OPO die „Südwestafrikanische Volksorganisation“ (SWAPO), um die ethnische Grundlage der Organisation zu erweitern. 1961 gründete Nujoma ein vorübergehendes Hauptquartier für die Swapo in Daressalam (Tansania). Dort wurde seine Position als Präsident 1963 formell bestätigt.
In den nächsten Jahren wurden Swapo-Büros in aller Welt eingerichtet. Die Swapo wurde von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) 1964 als Befreiungsbewegung anerkannt. Als der Weltgerichtshof 1966 eine afrikanische Klage ablehnte, durch die Südafrika das Mandat für Namibia aberkannt werden sollte, kündigte Nujoma den Beginn des bewaffneten Kampfes gegen Südafrikas Besetzung des Landes an.
Mit Hilfe afrikanischer Länder konnte Swapo erreichen, daß das UNO-Mandat Südafrikas zurückgezogen wurde. Doch der Apartheidstaat war nicht bereit, seine Kontrolle des Landes aufzugeben. Nujoma flog nach Windhuk, um die Illegalität der südafrikanischen Kontrolle zu betonten. Er wurde verhaftet und deportiert.
Trotzdem waren seine diplomatischen Bemühungen so erfolgreich, daß Swapo von der UNO als offizielle Vertreterin des namibischen Volkes anerkannt und bei der UNO und der OAU offiziellen Beobachterstatus erhielt.
Nujoma hat zweifellos Charisma. Dennoch werden aus verschiedenen Quellen Zweifel über ihn geäußert. Gesprächspartner berichten oft, daß er intellektuell nicht beeindruckt und sich im Gespräch auf abgegriffene Allgemeinheiten beschränkt. Wiederholte Säuberungsaktionen der Swapo werden auch als Zeichen dafür angeführt, daß Nujoma keine Kritik duldet. Sogar seine Frau mußte einige Zeit in einem Swapo-Haftlager verbringen, nachdem sie der Spionage für Südafrika verdächtigt wurde.
Dennoch haben seine jahrelangen Bemühungen zweifellos entscheidend zur bevorstehenden Unabhängigkeit Namibias beigetragen. Kein Wunder also, daß er gestern bei seiner triumphalen Rückkehr von Tausenden am Flughafen von Windhuk wie ein Held begrüßt wurde. Es ist fast sicher, daß Sam Nujoma Namibias erster Präsident werden wird.
Hans Brandt
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