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Nebenverdienst bei Atomschieberei

■ Auch Atomexperten der Branchengrößen waren in Atomschiebereien nach Pakistan involviert / Wie sich die NTG-Schieber das atomare Know-how beschafften / Transfers via Schweiz

Bonn (taz) - Atomtechexperten namhafter bundesdeutscher Konzerne und Institute der Atombranche haben sich von der Gelnhausener Schummelklitsche NTG für deren Schiebereien nach Pakistan einspannen lassen und besserten so ihre bescheidenen Gehälter auf. Weiteres Know-how schmuggelte die NTG über eine eigene US-Tochterfirma aus den Staaten nach Pakistan, Indien und Südafrika. Diese neuen Erkenntnisse eröffnete die Hanauer Staatsanwaltschaft, die gegen die NTG wegen illegaler Atomexporte ermittelt, am Donnerstag nachmittag in Bonn dem Atom-Untersuchungsausschuß des Bundestages in nichtöffentlicher Sitzung. Die Ermittlungsverfahren, so die Staatsanwälte, seien in Kürze abgeschlossen. Die Abgeordneten rechnen daher mit einer baldigen Anklage.

Etwa acht bis neun hochqualifizierte Atomtechniker rekrutierte die NTG bei den beiden Konzernen Metallgesellschaft und Degussa sowie der Kernforschungsanlage Jülich, dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und der Gesellschaft für Schwerionenforschung Darmstadt, um an das notwendige Know-how für ihre illegalen Transfers militärisch sensibler Atomtechnologie heranzukommen. So strich etwa ein Mitarbeiter der Frankfurter Metallgesellschaft in knapp zwei Jahren für seine „Nebentätigkeit“ bei der NTG rund 50 - 60.000 Mark ein. Geräte und Material wurden teilweise über eine in der Schweiz installierte Tarnfirma mit dem Kürzel MVG nach Pakistan geschleust. So konnten die Schiebereien auf dem Papier als Exporte in die Schweiz deklariert werden. Die MVG ließen die NTG-Leute in der Schweiz von einem Degussa-Mann, der wichtige Kontakte mit der pakistanischen Atomenergie -Kommission vermittelt hatte, und einem Mitarbeiter der Hamburger Firma Rieckermann einrichten. Letztere Firma war ins Raster der Fahnder geraten, weil sie in Bankbelegen auftauchte, die in der Frankfurter Niederlassung der pakistanischen Staatsbank beschlagnahmt worden waren.

Hochsensibles Know-how im Bereich der Beschleunigertechnik erschlichen sich die Gelnhausner Schieber auch in den USA. Dort gründeten sie die Firma Scientific International (SI), die sich an Ausschreibungen renommierter amerikanischer Firmen und Forschungszentren für Instituts- und Laboreinrichtungen beteiligte. Über die Ausschreibungsunterlagen kam die SI an brisante Blaupausen heran, die von der NTG dann an die Atomiker Pakistans, Indiens und Südafrikas weiterverscherbelt wurden.

Im Zusammenhang mit dem Transnuklear-Skandal stießen die Ermittler auf ein weiteres Privatkonto eines leitenden TN -Mannes bei einer Schweizer Bank mit rund 700.000 Schweizer Franken. Das Geld war jeweils bar in belgischen Francs einbezahlt worden. Es wird daher vermutet, daß das den völlig überhöhten Zahlungen entspricht, die die TN der belgischen Entsorgungsfirma Smet Jet für relativ geringe Leistungen geleistet hat. Smet-Jet-Arbeiter hatten im belgischen Atomforschungszentrum Mol die Atommüll-Fässer der TN entladen.

Th.Scheuer

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