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Erneut Zuhälter-Prozeß

■ „Mama Sun“ und ihr Boss bleiben in U-Haft / Zeuginnen sind längst in Thailand / Thailändische Justiz muß jetzt per Amtshilfe Protokolle anfertigen / Verteidiger: Kammer will mit U-Haft Geständnisse erzwingen

Vor dem Landgericht scheiterte gestern erneut ein Prozeß wegen Zuhälterei, Verstoß gegen das Ausländergesetz und Förderung der Prostitution thailändischer Frauen, weil die in ihre Heimat abgeschobenen Frauen als Zeuginnen benötigt werden. Mit einer ähnlichen Begründung war bereits in der vergangenen Woche ein Prozeß wegen Menschenhandels ausgesetzt worden. Die betroffenen Frauen sollen nun mittels eines Rechtshilfeersuchens in Thailand ermittelt und von den dortigen Justizbehörden vernommen werden.

Die Protokolle werden dann in einer erneuten Verhandlung verlesen. Nach Angaben von Justizsprecher Achhammer handelt es dabei allerdings um ein sehr aufwendiges, langwieriges Verfahren, weil das Rechtshilfeersuchen via Auswärtiges Amt bei den zuständigen Behörden in Thailand erstattet werden müsse.

Ob die Frauen ausfindig gemacht werden könnten, sei noch fraglich. Eine unmittelbare Zeugenladung könne ebenfalls nur über den diplomatischen Weg ausgesprochen werden. Es gebe allerdings keine Möglichkeit die Frauen zum Kommen zu zwingen.

Mit den gestrigen fünf Angeklagten stand nach Angaben der Staatsanwaltschaft erstmals in Berlin eine „als mutmaßliche Tätergruppe operierende Einheit“ vor Gericht. Der Hauptangeklagte ist ein 39jähriger Thailänder, der in der Zeit vom 28.Februar bis zum 12.August 1988 Mitinhaber des bordellartigen Clubs „Michaela“ in Charlottenburg gewesen und in diesem zehn bis zwölf Thailänderinnen in wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten haben soll. Das soll so ausgesehen haben, daß er die zum Teil minderjährigen Frauen veranlaßte, anschaffen zu gehen, die Gesamttageseinnahmen der Prostituierten von rund 1.000Mark jedoch nicht an diese auszahlte, sondern einfach nach Gutdünken mit den Schulden für die Reisekosten und Vermittlung der Frauen nach Berlin verrechnete. Den Thailänderinnen soll es verboten gewesen sein, das Bordell, beziehungsweise eine Wohnung in der Kantstraße ohne Kontrolle zu verlassen. Um das zu verhindern, soll der Angeklagte die Pässe und Rückflugtickets der Frauen einbehalten habe.

Aufsichtsperson war nach Auffasung der Staatsanwaltschaft die gestern mitangeklagte 39jährige Thailänderin mit dem Spitznamen „Mama Sun“ (Puffmutter). Sie hatte nach ihrer Festnahme ausgesagt, daß „die Mädchen“ siebzig Mark pro Geschlechtsverkehr verlangen, davon aber fünfundzwanzig Mark abführen mußten. Ihr Verdienst von fünfundvierzig Mark sei ihnen allerdings nicht ausgezahlt, sondern „in Bücher“ eingetragen worden. Die Mädchen hätten auch kein Taschengeld bekommen. Wenn sie etwas gebraucht hätten, sei sie, „Mama Sun“, mit ihnen einkaufen gegangen. Über sich selbst hatte die 39jährige Thailänderin ausgesagt, daß sie nicht anschaffen ging und für ihre Dienste mit vierzig Mark pro Tag entlohnt worden sei. Mitangeklagt sind außerdem eine weitere 27jährige Thailänderin und ihr 44jähriger deutscher Ehemann sowie ein 57jähriger Deutscher wegen Beihilfe.

Der Hautangeklagte und die 39jährige Thailänderin sitzen seit über einem Jahr in U-Haft. Während der Thailänder den Vorwurf der Zuhälterei gestern mit Einschränkungen zugab, verweigerte „Mama Sun“ jegliche Aussage. Die Aussetzung des Prozesses wurde von Verteidiger Baerlein damit kommentiert, die 15.Strafkammer versuche mit dem Mittel der U-Haft Exempel zu statuieren und Geständnisse zu erzwingen.

plu

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