: Vatikan entscheidet gegen Kloster in Auschwitz
Karmeliterinnen müssen das KZ-Gelände verlassen / Jüdische Gemeinden sahen im Verhalten der Karmeliterinnen Monopolisierung des Gedächtnisses / Polens Primas Glemp hatte mit antisemitischen Äußerungen die Anwesenheit der Nonnen in Auschwitz verteidigt ■ Von Alexander Smoltzcyk
Paris (taz) - Selten ist ein päpstliches Wort dringender erwartet worden als dieses: Das Karmeliterinnenkloster auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz I wird geschlossen. Der Vatikan ordnete gestern an, daß sich die Nonnen an anderer Stelle niederlassen müssen.
Mit seiner gestrigen Erklärung hat sich Johannes Paul II., zu dessen einstiger Krakauer Diöszese der Ort Oswiecim (Auschwitz) gehört, hinter das Genfer Abkommen vom Februar 1987 gestellt. Darin hatten sich der Europäische Rat der Juden, die polnische Kirche und der Vatikan darauf geeinigt, daß die Gedenkstätte Auschwitz kein „Heiliger Ort“ einer Religion werden dürfe, sondern ein Ort individuellen Gebets bleiben solle. Trotz eines festgesetzten Auszugstermins zum Juli 1989 sind die Karmeliterinnen in Auschwitz geblieben eine Haltung, die von den jüdischen Gemeinden als Monopolisierung des Gedächtnisses und als nachträgliche Bekehrung der Opfer verstanden worden ist.
Die Beziehungen zwischen beiden Religionen waren auf den Nullpunkt gesunken, als der polnische Primas Glemp sich von dem Genfer Beschluß distanzierte und Neuverhandlungen verlangte, und sich der Krakauer Bischof Macharsky mit den Karmeliterinnen solidarisch erklärte. Noch am Montag hatte Glemp diese Haltung unterstrichen. Während viele jüdische Gemeinden und zuletzt der israelische Premierminister Schamir in der Haltung der polnischen Katholiken ein Anzeichen für die Fortexistenz eines polnischen Antisemitismus sahen, nutzten rechtsextreme Kreise vor allem in Frankreich die Affäre aus, um „den Juden“ die Schuld an dem Konflikt zuzuschreiben.
Für Unruhe hatte nicht zuletzt das lange Schweigen des Vatikans zu der Karmeliterinnen-Affäre geführt sowie einige mißverständlich übersetzte Äußerungen zur „Treulosigkeit Israels“. Noch am Sonntag hatte der Solidarnosc-Berater Geremek sich „sehr unglücklich“ über die Affäre geäußert und angekündigt, daß sich Premierminister Mazowiecki in den Konflikt einschalten werde.
Nach Meldungen aus Polen hatte sich bereits Ende vergangener Woche das Primat Polens mit dem in Konstanz lebenden Polen jüdischen Glaubens Zygmunt Nissenbaum über die Finanzierung einer Gebetsstätte in Oswiecim - jedoch außerhalb des Lagergeländes - geeinigt. Darin solle auch das Karmeliterinnenkloster untergebracht werden, so wie es die Genfer Beschlüsse vorsehen. Der Vatikan sagte gestern zu, er werde sich ebenfalls an den Kosten des Gebetszentrums beteiligen. Eine Stellungnahme der Katholiken Polens stand gestern nachmittag noch aus - doch wer in Polen hat stärkere Bataillone als Johannes Paul II.?
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