: Es wird einsam um die SED-Spitze
■ Jetzt fordert auch der Vorsitzende der Bündnispartei LDPD Reformen / Erste Haftstrafen in Leipzig
Berlin (ap/taz) - Als erster prominenter Politiker der DDR hat sich der stellvertretende Staatsratsvorsitzende und Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei, Manfred Gerlach, vorsichtig für Reformen ausgesprochen. In einer Ansprache, die von der Parteizeitung 'Der Morgern‘ abgedruckt, vom SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ aber ignoriert wurde, sprach er sich dafür aus, „Neues nicht zu blockieren, sondern aufzuspüren und auf den Weg zu bringen“. Gerlach lobte ausdrücklich Gorbatschows Reformpolitik, die von seiner Partei „mit brennendem Interesse“ verfolgt werde. Die LDPD ist eine der Blockparteien der DDR, die als „Transmissionsriemen“ der SED-Politik gelten. Ihre Mitglieder sind hauptsächlich Handwerker, Gewerbetreibende und Intellektuelle.
In Leipzig wurden die ersten Urteile gegen verhaftete Demonstranten bekannt. Vier Personen, die nach dem Friedensgebet in der Leipziger Nikolai-Kirche am 11.September festgenommen wurden, sind je zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Die Ermittlungsverfahren nach §217 des DDR-Strafgesetzbuches („Zusammenrottung“) gegen sieben weitere, seit zehn Tagen inhaftierte Personen sind noch nicht abgeschlossen. Dies wurde gestern aus Kreisen der Leipziger Oppositionsgruppen und der Kirche bekannt - trotz massiver Störungen des deutsch-deutschen Telefonverkehrs. Weiterhin widersprüchlich sind die Informationen über die Massenfestnahmen am letzten Montag. Insbesondere unklar ist, wieviele der über 100 Eingesperrten noch im Knast saßen. Übereinstimmend berichteten Insider, daß Volkspolizei und zivile „Sicherheitskräfte“ bei ihren Attacken gegen die ca. 3.000 Versammelten vier Menschen, darunter eine Schwangere, verletzt hätten. Einem Mann wurde ein Arm gebrochen. Fortsetzung Seite 2
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Unterdessen hat die Evangelische Kirche der DDR ihre Unterstützung für die neue Demokratiebewegung bekräftigt. Manfred Stolpe, Konsistorialpräsident des Kirchenkreises Berlin-Brandenburg, sagte am Mittwoch in einem Rundfunkinterview, die derzeit entstehenden Gruppen könnten „endlich einen Anstoß in die bestehenden Strukturen hineinbringen“. Gleichzeitig warnte Stolpe aber vor einer „Polarisierung in der Bevölkerung“. Er forderte die SED erneut auf, eine Diskussion über die inneren Probleme zuzulassen. Reformwünsche bis hin zu einem Mehrparteiensystem, Reiseerleichterungen und mehr individu
elle Freiheit hatte tags zuvor das höchste Kirchenparlament, die Bundessynode, formuliert.
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